Petite fille Frankreich 2020 – 90min.

Filmkritik

Gut behütet in den Lebenskampf

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Sébastien Lifshitz‘ Film um ein Transmädchen und seine Familie ist ein Aufruf für Toleranz.

Eine Frage wischt die Kinderpsychiaterin beim ersten Treffen souverän vom Tisch. Einer Mutter während der Schwangerschaft empfundener Wunsch nach einer Tochter, hat nichts damit zu tun, dass sich ihr als Junge geborenes Kind als Mädchen fühlt. Wie sich eine Transgenderidentität ausbildet, ist vielmehr ungeklärt. Sie zeigt sich aber oft schon früh: Sasha war vierjährig, als sie ihren Eltern mitteilte, dass sie „später“ ein Mädchen sein möchte. Im Film von Sébastien Lifshitz, ist sie sieben.

Die Eltern haben damit kein Problem, zu Hause darf Sasha sein, wie sie ist. Mit Puppen spielen, Kleidchen tragen. Ausserhalb der eigenen vier Wände aber wird es schwieriger. Auch für die Mutter: Als Karine das erste Mal einen Laden betrat, um für Sasha ein Kleidchen zu kaufen, war ihr dies peinlich. Doch das Glück, das daraufhin Sashas Gesicht erhellte, hat Karine die Richtigkeit ihres Tuns bestätigt.

Das damals empfundene Glück spiegelt sich auf Karines Gesicht, als sie im Film der Kinderpsychiaterin die Episode erzählt. Über ein Jahr hat Lifshitz Sasha und ihre Familie begleitet. Viele Szenen sind zu Hause entstanden. Es sind beobachtende Szenen, oft auf Sashas Augenhöhe gedreht. Sie zeigen Sasha allein, zusammen mit ihren Eltern, mit ihren zwei Brüdern und ihrer grossen Schwester, die ihr ein Vorbild sein will.

Die Sorge um Sasha obliegt vor allem der Mutter. Immer wieder greift Karine zum Telefon, führt Gespräche. Sie fährt mit Sasha nach Paris, um in einer auf Transgenderfragen spezialisierten Klinik ein Schreiben zuhanden der Schulleitung zu erhalten, das erklärt, dass Sasha mit „Gender-Dysphorie“ diagnostiziert in der Schule sein können sollte, wie sie ist.

Das ist in der französischen Provinz, wo die Familie wohnt, nicht selbstverständlich. „Solange die Lehrer Sasha nicht akzeptieren, wie sie ist“, sagt Karine, „werden es auch ihre Klassenkameraden und deren Eltern nicht tun.“ Später ist es die neue Ballettlehrerin, die Sasha mit der Bemerkung, dass ihr so etwas nicht unterkomme, aus der Klasse ausschliesst.

„Petite fille“ ist berührend. Ein intimer Film, der vieles – etwa Behandlungen, welche die Ärzte starten, damit Sasha ihre Identität möglichst spät erst festlegen muss – nur beiläufig andeutet. Doch diese enge Perspektive ist des Films Stärke. Denn sie zeigt, was – übrigens auch in anderen Filmen – Lifshitz‘ Anliegen ist: Darauf aufmerksam zu machen, dass alle Menschen unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität zu respektieren sind.

07.12.2020

4

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