Padrenostro Italien 2020 – 122min.

Filmkritik

Bleierne Kinderjahre

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Claudio Noce erzählt aus der Sicht eines Zehnjährigen, wie ein Anschlag auf dessen Vater das Lebensgefühl der ganzen Familie verändert. Der 1975 geborene Regisseur verarbeitet dabei ein Ereignis, das seiner eigenen Familie widerfuhr.

Geprägt von sozialen und politischen Turbulenzen wie etwa der Entführung und Ermordung Aldo Moros sind die 1960er- bis 1980-er-Jahre als «anni di piombo» («Zeit des Bleis») in Italiens Geschichtsbücher eingegangen. Diese Jahre waren die Zeit der Kindheit des Filmregisseurs Claudio Noce, dessen Vater in Lazio zuständig für Terror- Bekämpfung 1976 bei einem Anschlag der NAP verletzt wurde. Noce war damals gut ein Jahr alt, sein Bruder zehnjährig.

Zehn Jahre alt ist auch Valerio, als er in «Padrenostro» eines Morgens von Schüssen vor dem Haus aufgeschreckt wird. Beim Blick aus der Wohnung entdeckt er auf der Strasse Autos und bewaffnete Männer. Dass er seiner Mutter hinterher vors Haus rennt, hier einen Mann sterben sieht und beobachtet, wie sein Vater abtransportiert wird, merkt niemand. Und Valerio behält es für sich. Die Mutter behält Valerio und seine Schwester zuhause. Er darf kein Fernsehen gucken, keine Zeitung lesen. Als der Vater nach Hause zurückkehrt, heisst es, er habe sich einer Operation unterzogen. Valerios Vater sei ein Held, erklärt die Lehrerin, als Valerio wieder zur Schule geht. Valerio aber weiss auf die Fragen seiner Kameraden keine Antwort.

Überhaupt hat er inzwischen einen anderen Freund, Christian, der plötzlich auftaucht, als der Vater im Spital liegt. Christian lebt auf der Strasse und spielt mit Valerio Fussball, Valerio erzählt ihm, was er damals beobachtet hat. Überstürzt fährt Valerios Familie in die Sommerferien auf den Hof der Grosseltern in Kalabrien. Christian reist der Familie heimlich nach. Claudio Noce erzählt das alles aus der Sicht von Valerio, dem – blond, blaue Augen und im Körperbau schmächtig gespielt von Mattia Garaci – etwas Engelhaftes anhaftet. Christian, ein wenig älter wird burschikoser gespielt von Francesco Gheghi. In der Rolle des Vaters, der seinem Sohn so nah, zugleich so fern ist, glänzt Italiens Superstar Pierfrancesco Favino.

Es ist vor allem das Klima einer Bedrohung, einer vom Kind gefühlten Angst und Anspannung der Erwachsenen, die «Padrenostro» prägt und manchmal in der Story etwas wenig fokussiert zur auch gespensthaften Geschichte eines jungen Heranwachsens werden lässt. Ein faszinierend rätselhafter Film, der in der Biografie des Regisseurs wurzelnd, auch ungewohnte Einblicke vermittelt in nicht aufgearbeitete, kindliche Trauma.

15.06.2021

3.5

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