Otar's Death Georgia, Deutschland, Litauen 2020 – 106min.

Filmkritik

Wenn eine Mutter mit ihrem Sohn...

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Der Georgier Ioseb Soso Bliadze erzählt in seinem Regiedebüt von einem traumatischen Ereignis, das einen 16-jährigen Georgier und seine junge Mutter aus der Bahn wirft. Er erzählt zugleich von einer anderen Frau und deren Sohn, die im Unfalltod ihres Gatten und Vaters eine Chance sehen, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Ein eigenwilliges, von zart-bitterer Ironie durchzogenes Psycho- und Sozialdrama aus Georgien.

Der 16-jährige Nika ist über Ohren verschossen in seine Schulkameradin Ana. Er lebt mit seiner Mutter Keti in einem heruntergekommenen Hochhausquartier in Tiflis. Keti arbeitet als Kosmetikvertreterin und verdient nicht gut. Doch sie ist noch jung und unternehmungslustig und lässt es sich nicht nehmen, abends mit ihren Freunden in der Bar abzuhängen.

Ketis und Nikas Verhältnis ist entsprechend angespannt. So ist auch bei einem sonntäglichen Ausflug an einen See die Stimmung bereits auf der Hinfahrt gereizt. Vor Ort stellt sich dann heraus, dass Keti sich mit Freunden verabredet hat. Sie überlässt Nika sich selber und vergnügt sich mit den anderen. Obwohl er keinen Führerschein hat, bricht Nika einige Stunden später alleine im Auto Richtung Stadt auf. In einem Moment der Unaufmerksamkeit überfährt er in einem Dorf einen alten Mann, Otar.

Dessen Frau Tamara und sein erwachsener Sohn Oto beobachten den Unfall. Bald schon sind auch der Dorfpolizist und ein Arzt vor Ort, schliesslich taucht auch Keti auf. In tiefer Nacht trifft man eine Vereinbarung: Wenn Keti Otars Familie innerhalb eines Tages eine bestimmte Summe überreicht, verzichtet man auf eine Anzeige und Nika muss nicht ins Gefängnis. Die folgenden 24 Stunden verbringt man grösstenteils schlaflos. Oto gerät mit Tamara in die Haare, weil er nicht mit in die Stadt ziehen will. Keti versucht verzweifelt an Geld zu kommen. Und Nika ist derart traumatisiert, dass er sich beim nächsten Treffen mit Ana komplett daneben benimmt.

«Otar’s Death» ist der erste lange Film des Georgiers Ioseb Soso Bliadze, der dazu auch das Drehbuch schrieb. Zugrunde liegt diesem die Geschichte eines Freundes, der einen Autounfall verursachte, bei dem ein alter Mann starb, worauf dessen Familie Geldforderungen stellte. Er könne verstehen, meinte Bliadze, dass man – nachgerade, wenn man in einem Dorf in Georgien lebt, wo die Infrastruktur mangelhaft und Geld verdienen nicht einfach ist, – seine Situation zu verbessern versucht. Etwas befremdlich wirkt es trotzdem.

Inszeniert ist «Otar’s Death» feinfühlig aus der wechselnden Sicht aller Betroffenen, wobei es Bliadze gelingt, alle seine Figuren glaubwürdig zu zeigen. Das Gezeigte allerdings ist oft unbeschönigt und herb, die leise Ironie und der schwarze Humor, die gewissen Szenen innewohnen, haben oft einen bitteren Beigeschmack. Der Film ist reich an unerwarteten Wendungen. Eine solche verhilft diesem Drama, das tief in die Seele der Gesellschaft blicken lässt, schliesslich auch zu einem überraschend hoffnungsvollen Ende.

22.02.2022

3.5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 2 Jahren

Eigentlich zwei Mutter-Sohngeschichten.
Und: Kenn keinen Film, der so oft das Gesicht der Personen zeigt. Angefangen mit einer 'Spiegelsezne',
nur dass die Kamera anstelle des Spiegels steht.
Und, Spoileralarm?, mitten drin macht auch das Publikum ein langes Gesicht -
nach Hundegesichtszene...Mehr anzeigen


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