Kajillionaire USA 2020 – 104min.

Filmkritik

Ein bisschen lustig, ein bisschen traurig

Miranda Julys dritter Langfilm liess lange auf sich warten, zeigt aber erneut, wieso die Autorin und Performance-Künstlerin zu den Grossen des modernen Independent-Kinos gehört. Weil sie Geschichten erzählt, wie sie schräger nicht sein, emotionaler aber auch nicht schlagkräftiger sein könnten. Kajillionaire ist so etwas wie ihre recht verquere Antwort auf südkoreanischen Parasite – wenn auch nur im Geiste, nicht wirklich davon ausgelöst, da die Dreharbeiten zu ihrem Film bereits 2018 stattfanden.

Die junge Frau Old Dolio hat von ihren Eltern nie Liebe erfahren. Die drei leben von der Hand in den Mund, ziehen Leute ab, klauen, was geht, und denken nicht an Morgen. Doch dann taucht die Latina Melanie in ihrem Leben auf. Sie will auch ein paar Dinger abziehen, nicht, weil sie es nötig hat, sondern weil sie den Kick erleben will – und weil sie Old Dolio ansprechend findet. Sie sieht schliesslich ihre Chance gekommen, Old Dolio aus ihrem toxischen Umfeld loszulösen, aber wird es ihr wirklich gelingen, einen emotional verkümmerten Menschen wie sie ins Leben zurückzuholen?

Der Film beginnt bewusst schräg. Man weiss gar nicht, was sich abspielt, beobachtet aber fasziniert, wie Evan Rachel Wood Kameras ausweicht, ein Schliessfach öffnet – und zwar genau in dem Moment, in dem von der anderen Seite die neuen Sendungen einsortiert werden – und klaut, was sie mit ausgestrecktem Arm erreichen kann. Man schmunzelt, man ist amüsiert, und das umso mehr, als man merkt, was für eine Sippe dies eigentlich ist. Richard Jenkins und Debra Winger spielen die Eltern, die ihrer Tochter keine Liebe schenken können, geschweige denn Normalität. Stattdessen haben sie Old Dolio auch zu einer Diebin und Abzockerin gemacht, völlig ignorierend, dass sie emotional in den 26 Jahren ihres Lebens verkümmert ist.

Es kommt der Moment, da realisiert man das – und was zuvor schräg und verschroben war, wird urplötzlich tieftraurig. Weil es im Grunde um eine ganz perfide Form von Kindesmisshandlung geht. Aber auch, weil man miterlebt, wie die von Evan Rachel Wood mit trauriger Gelassenheit gespielte Old Dolio, nach ein bisschen Liebe giert. So fragt man sich im Verlauf des Films, ob es für diese junge Frau ein Happyend geben kann. Das Pendel könnte in beide Seiten schwingen, ganz davon abhängig, was Miranda July erreichen will. Denn mit ihrem Film fordert sie den Zuschauer heraus, und mit ihm auch seine Erwartungen an das, was Kino sein kann. Eine Geschichte, die höchst amüsiert, aber auch tiefst betrübt, eine Achterbahn der Gefühle, an deren Ende man sehr zufrieden aus dem Kino kommt, sich aber auch fragt, ob das Ende nun hoffnungsvoll oder trostlos ist.

14.10.2020

4

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Kommentare

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stochi

vor einem Jahr

Überbewertet. Wär hier in Europa ein normaler Fernsehfilm


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