Candyman USA 2020 – 91min.

Filmkritik

Schreckgestalt kehrt zurück

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Mit seinem auf einer Kurzgeschichte von Clive Barker basierenden Horrormär «Candyman» konnte Bernard Rose nicht nur das Publikum überzeugen. Auch viele Kritiker fanden lobende Worte für den 1992 veröffentlichen Schocker und seinen sozialkritischen Unterbau. An diesen zu einem Kultstreifen avancierten Film dockt nun kein Geringerer als Jordan Peele an, den die satirischen Schauerwerke «Get Out» und «Wir» zu einem Star im düsteren Genrebereich werden liessen.

Der neue «Candyman», der als «spirituelle Fortsetzung» des Ursprungstitels bezeichnet wird und die Ereignisse der beiden Mitte und Ende der 1990er Jahre entstandenen Sequels ausser Acht lässt, bietet dem hier als Produzent und Ko-Drehbuchautor fungierenden Afroamerikaner Peele einmal mehr die Möglichkeit, das Rassismus-Thema aufzurollen und die schmerzhaften Erfahrungen schwarzer Menschen in den Fokus zu rücken. Schon in Roses Arbeit werden diese Aspekte angeschnitten. Durch den Film führt uns allerdings eine weisse, von Virginia Madsen gespielte Doktorandin, die für ihre Dissertation der von den Bewohnern des Chicagoer Sozialbauviertels Cabrini-Green gefürchteten Schreckgestalt namens Candyman nachspürt und am Ende eine ungewöhnliche Emanzipation erlebt.

Rund dreissig Jahre nach den Geschehnissen des Originals hat sich das Gesicht des damals berüchtigten Bezirks grundlegend verändert. Bis auf ein paar leerstehende Häuser ist nicht mehr viel zu sehen von dem einstigen Brennpunkt, in dem vor allem Afroamerikaner lebten. Inzwischen schiessen überall schicke, kernsanierte Gebäude aus dem Boden, die eine gebildete, künstlerische, nicht von Geldsorgen geplagte Klientel anziehen. Frisch eingerichtet haben sich an diesem Ort auch der Maler Anthony (Yahya Abdul-Mateen II) und seine Freundin Brianna (Teyonah Parris), die für eine exklusive Galerie arbeitet. Dem schwarzen Pärchen geht es gut. Als der junge Mann jedoch beschliesst, seine kreative Pause zu beenden, und sich Inspirationen in den Überbleibseln von Cabrini-Green holt, verfällt er der Sage um den mit einer Hakenhand ausgestatteten Candyman, den man herbeiruft, wenn man seinen Namen fünf Mal laut in einen Spiegel sagt. Anthonys Bilder nehmen immer unheimlichere Züge an. Und in seiner Umgebung geschehen plötzlich grausame Morde.

Gentrifizierung, die brutale Geschichte der Unterdrückung von Afroamerikanern, zügellose Polizeigewalt, der Alltagsrassismus, der leider auch heute noch präsent ist – «Candyman» nimmt sich einiges vor, will Bewusstsein schaffen für anhaltende Probleme und liefert spannende Denkanstösse. Nicht immer wirkt das Drehbuch aber vollends ausgereift. Manche Fäden – etwa Briannas Backstory – bleiben ein wenig in der Luft hängen. Und einige Plotbausteine fügen sich nicht überzeugend in das Gesamtkonstrukt ein. Die Szene, in der eine Gruppe Teenagerinnen in einer Schultoilette blutige Bekanntschaft mit dem mythisch überhöhten Schlitzer macht, ist verzichtbar, da sie keine wirklich erhellenden Erkenntnisse bietet. Lob verdienen sich Peele und seine Mitstreiter für die Idee, wie sie der Hintergrundgeschichte des Candyman aus dem Original gerecht werden, ihr gleichzeitig aber auch einen frischen Dreh verpassen. Ein emotionaler Wendepunkt nach rund einer Stunde heizt die Spannung spürbar an. Mit einem etwas überstürzten dritten Akt verschenkt der Film jedoch einiges an Wucht und Verstörungskraft.

Was die Schock- und Gruselqualitäten von «Candyman» anbelangt, kann man Regisseurin Nia DaCosta («Little Woods») ein routiniertes Händchen attestieren. Besonders verblüffend oder raffiniert fallen die Schreckmomente allerdings nicht aus. Am meisten Gänsehaut erzeugen die zwischendurch eingeschobenen Schattenspiele, in denen mithilfe von Papierfiguren unter anderem die Bandbreite des Leids beschrieben wird, das Afroamerikaner über die Jahrhunderte ertragen mussten.

27.08.2021

3

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Kommentare

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Taz

vor 2 Jahren

Sehr stimmungsvoller Grusler, der zwar mit einigen Längen zu kämpfen hat, sich als Gesamtpaket aber durchaus sehen lassen kann. IMO viel stärker als der Purge-Murks.


Julia

vor 2 Jahren

Lässt sich unterhalten. Nicht schlimmer als "Purge"


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