CH.FILM

Amazonen einer Grossstadt Schweiz 2020 – 66min.

Filmkritik

Die unerschrocken Mutigen

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Die Innerschweizerin Thaïs Odermatt spürt in ihrem ersten Kinodokumentarfilm der eigenen und gesellschaftlichen Vorstellung der kämpferischen Frau nach.

Es beginnt mit Familienfilmen und der Regisseurin persönlicher Erinnerung. Als Kind, erzählt Thaïs Odermatt, habe sie davon geträumt, eine Amazone zu sein. Sie sah sich auf einem Pferd durch die Prärie galoppieren und gegen Ungerechtigkeit kämpfen, gar in den Krieg ziehen. Sie wollte Heldin werden, Widerstandskämpferin, Tigerdompteuse, Messerwerferin, Boxerin, DJ. Absolviert schliesslich hat Odermatt die Kunsthochschule in Luzern; ein Stipendium brachte sie nach Berlin.

In der deutschen Grossstadt eröffnen sich ihr aufregende multikulturelle Welten. Doch auf Plakaten und in der Werbung werden Frauen auch hier stereotyp als verführerisch, schön und brav gezeigt. Plötzlich erwacht Odermatts innere Amazone erneut zum Leben. Es muss hier doch auch andere Frauen geben, hat sie sich gesagt; „Ama-zo-ne, Substantiv, feminin: Angehörige eines sagenhaften Volkes kriegerischer Frauen“ steht in ihrem Film Weiss auf Schwarz, worum es hier geht.

Odermatt hat sich auf die Suche gemacht und gefunden: Die Mixed Martial Arts-Sportlerin Maryna Ivashko, die sagt, das Kämpfen liege ihr im Blut. Die erfolgreiche DJane That Fucking Sara, die 18-jährig von den Eltern vor die Tür gestellt, ihre heutige Bekanntheit kaum fassen kann. Zilan, eine kurdische Ex-Guerillera, die aus dem Krieg nach Berlin floh und studierte, heute einen Sohn hat und sich nach wie vor politisch engagiert.

Die drei stehen im Zentrum von Odermatts Film. Sie gehören der gleichen Generation an wie die Regisseurin, die während der Arbeit am Film selber Mutter wird, ihre Protagonistinnen nach Lebensweg, Vorstellungen und Ideologien befragt und diese mit ihren eigenen Erfahrungen und Ideen abgleicht. Erweitert wird das Spektrum durch eine Begegnung mit der Menschenrechtsaktivistin Irmela Mensah-Schramm, dem Hinweis auf Uta Melles, die in ihrem Amazonen-Buch Brustamputationen thematisiert und Odermatts Mutter, ihrerseits eine aktive Feministin.

Mit seinem persönlichen Ansatz und seiner Thematik, die letztlich nach dem Bild und der Stellung der kämpferischen Frau in der Gesellschaft fragt, schreibt sich Odermatts Film souverän ein in der Tradition eines feministischen europäischen Filmschaffens, wie man es von Ulrike Ottinger, Helma Sander-Brahms oder Chantal Akerman kennt. Ein kurzweiliger, seine ernsthafte Fragestellung in verspielter Umsetzung und humorvollem Tonfall geschickt kontrapunktierender Frauenfilm.

05.03.2021

4

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