The Wild Goose Lake - See der wilden Gänse China, Frankreich 2019 – 113min.

Filmkritik

Treibjagd durch die Grossstadthölle

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Der Chinese Diao Yinan setzt die Metropole Wuhan als gesetzloses, finsteres und alles verschlingendes Grossstadt-Moloch in Szene, durchleuchtet von magischen Lichtern und hellen, pulsierenden Farben.

Der in Wuhan lebende Gangster Zenong Zhou (Ge Hu) muss um sein Leben fürchten. In Folge eines „unschönen“ Zusammentreffens mit einer verfeindeten Gangsterbande kam ein Polizist ums Leben, weshalb Zenong nichts anderes als die Flucht übrig bleibt. Dabei lernt er die Prostituierte Aiai Liu (Lun-Mei Kwei) kennen, die ihr früheres Leben zurückerlangen will. Kann Zenong der Frau vertrauen? Oder dient sie womöglich nur als Lockvogel?

Für Yinan stehen in seinem neuesten Werk, das 2019 im offiziellen Wettbewerb von Cannes lief, Optik und Ästhetik vor allen anderen Dingen. Er zeigt die Millionenstadt Wuhan als düsteren, kalten und gesetzlosen Ort, in dem das Verbrechen regiert und schäbige Gestalten auf den nächtlichen, ins Nichts führenden Strassen umherwandeln. Eine Art chinesisches Gotham City. Yinan setzt auf einen beachtlichen, teils umwerfend schönen Kontrast, wenn er diesen unheilvollen, dunklen Szenerien und schwach ausgeleuchteten Kulissen einen grellen Glanz, psychedelisch anmutende Lichtinstallationen und flackernde LEDs entgegensetzt.

Gangster, die mit ihren bunt erleuchteten, strahlkräftigen Schuhsohlen die Nacht erhellen. Satte Neonfarben, die die schäbigen Innenräume der heruntergekommenen Häuser in pinkes Licht tauchen. Und entrückte Nahaufnahmen menschlicher wie tierischer Augen, die das wilde Treiben, die Kämpfe, Schiessereien und atemlosen Verfolgungsjagden (ein Highlight des Films) beobachten: The Wild Goose Lake ist ein Fest fürs Auge, ein von einer pulsierenden Farbgebung geprägter Film, der immer wieder mit unerwarteter, aber bewusst überzeichneter, karikaturen- sowie comic-artiger Gewalt und Brutalität überrascht.

Bei all dieser optischen Pracht vernachlässigt Yinan jedoch den Spannungsbogen und die Handlung. Denn spätestens ab der Hälfte fragt man sich: Kommt da noch etwas? Dabei ist nicht einmal der etwas überraschungsarme Plot vom todbringenden Bandenkrieg das Hauptproblem. Vielmehr ist es das immer gleiche Grundmotiv vom Jagen und Gejagt werden, vom Jäger und Gejagten, welches ermüdet. Die (gross-)städtische Gangsterhatz zieht sich durch den ganzen Film.

Die Tatsache, dass Yinan dutzende Kriminelle rivalisierender Banden und unzählige Polizisten in unübersichtlichen Massenszenen (oft aus der Luft) einfängt und gleichzeitig auf Jagd gehen lässt, trägt zudem nicht gerade zur Einheit und Stringenz bei. In dem überladenen, schwierig zu überblickendem Gewusel vermischt sich irgendwann alles. Auch da sich der Handlungsort als labyrinthartiger, schwer greifbarer und hemmungslos chaotischer Grossstadtdschungel erweist, in dem jegliche Ordnung fehlt.

15.09.2020

3

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