The Last Black Man in San Francisco 2019 – 121min.

Filmkritik

San Francisco: "Golden City" mit wenig Glanz

Filmkritik: Walter Rohrbach

Das 121-minütige Langfilmdebüt von Joe Talbot wirft einen schonungslosen Blick auf die rauen Auswirkungen der Gentrifizierung in San Francisco. Die städtischen Veränderungen entwurzeln, entfremden und reissen soziale Bindungen auf – ein durchaus interessanter Blick, auch wenn der Film etwas zu wenig in die Tiefe geht.

«If you're going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair» erklingt es in meinen Ohren, während friedliche Hippies und eine alte Strassenbahn vor meinem geistigen Auge erscheinen, wenn ich an San Francisco denke. Dieser Film aber zeigt ein raueres Gesicht der «Golden City». Weder glänzend noch erleichternd sind die Bedingungen dieser Stadt, die das Leben der beiden Hauptprotagonisten in die Schranken weist: Jimmie und Mont sind enge Freunde, die gemeinsamen Diskussionen, Träume und Streifzüge durch die Stadt sind Basis ihrer Verbundenheit.

Jimmie träumt davon, das viktorianische Haus seines Grossvaters im Herzen von San Francisco zurückzuerobern, ausgerechnet im Viertel der weissen Spiessbildungsbürgerschaft, die sich nach der Verdrängung der afroamerikanischen Bevölkerung dort niedergelassen hat. Was folgt ist ein dramatisches Aufbegehren gegen die vorherrschenden Bedingungen, denn Jimmie hat weder das nötige Geld noch die richtige Hautfarbe für eine positive Antwort von einem Kredithai.

The Last Black Man in San Francisco ist ein Gemeinschaftswerk von Joe Talbot und Jimmie Fails. Beide sind in San Francisco aufgewachsen und seit langem miteinander befreundet. Im Rahmen dieser Freundschaft ist die Idee zum Film entstanden: Jimmie Fails Grossvater hatte tatsächlich einmal ein viktorianisches Haus, in einem mehrheitlich von einer afroamerikanischen Mittelschicht bewohnten Stadtviertel, erworben. Nach dem Tod des Grossvaters hat die Familie aber das Haus verloren: Ein prägender Einschnitt und entscheidender Wendepunkt im Leben von Jimmie, der im Film als einer der beiden Hauptakteure zu sehen ist. Joe Talbot hat die Grundidee der Gentrifizierung aufgenommen und in Szene gesetzt – es ist dies sein erster Langspielfilm als Regisseur.

Die offensichtliche Stärke des Films ist es, die vielfältigen Auswirkungen des Phänomens der Gentrifizierung am Leben der beiden Protagonisten direkt zu dokumentieren – wie beispielsweise die Entwurzelung und Heimatlosigkeit, die Jimmie mit einer grossen Nostalgie immer wieder das Haus seines Grossvaters aufsuchen lässt. Eindrücklich sind auch die Szenen, die zeigen mit welcher Versessenheit Jimmie versucht, alte Beziehungen aufzubauen und sein unbedingter Wille ein neues Zuhause zu schaffen: all dies auf den Punkt gebracht in der Szene mit dem eindringlichen Aufschrei: «this is our home».

Neben den Themen Heimat und Freundschaft sind es auch Fragen der Identität und der Gruppenzugehörigkeit, die sich Jimmie und Mont in den Weg stellen. Allerdings ist es gerade diese Vielfalt, die es schwer macht, den beiden wirklich nahe zu kommen, sodass man das Gefühl hat, eher an der Oberfläche zu bleiben. Trotzdem ist es ein wichtiger Blick auf das global auftretende Phänomen der Gentrifizierung, der zeigt welche Auswirkungen städtische Bewegungen auf das Individuum haben.

19.08.2019

3.5

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