Roads Frankreich, Deutschland 2019 – 100min.

Filmkritik

Erwachsen werden

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Nach Victoria legt Sebastian Schipper, der seine Karriere als Schauspieler begann, mittlerweile aber einer der interessantesten Regisseure seiner Generation ist, mit Roads einen neuen, nicht minder geglückten Film vor, mit dem er eine ganz und gar andere Geschichte erzählt. Eine, die in erster Linie ein Coming-of-Age-Drama ist, aber auch ein Roadmovie, das sich durchaus ernsten Themen widmet.

Der 18-jährige Gyllen (Fionn Whitehead) stiehlt im Urlaub in Marokko das Wohnmobil seines Stiefvaters. Er will nach Frankreich zu seinem leiblichen Vater, hat aber schon wenige Kilometer nach dem Start Schwierigkeiten, bei denen ihm der Kongolese William (Stéphane Bak) behilflich ist. Der will auch nach Frankreich und dort nach seinem Bruder suchen, von dem die Familie schon lange nichts mehr gehört hat. Das ungleiche Duo macht sich also auf den Weg – ohne viel Geld, ohne Führerschein, ohne Ausweis, aber mit reichlich Flausen im Kopf. Es wird eine Reise, die sie beide für immer verändern wird.

Die beiden Hauptdarsteller sind hervorragend. Sie wirken absolut authentisch und offenbaren immenses Talent. Whitehead hat man zuvor in Christopher Nolans Dunkirk und dem Netflix-Film «Black Mirror: Bandersnatch» gesehen, während Bak in Paul Verhoevens Elle agierte. Hier haben beide aber die herausforderndsten und interessantesten Rollen ihrer bisherigen Karriere vor sich. Ihre Figuren sind sehr unterschiedlich, weil sie auch sehr unterschiedliche Leben geführt haben. Und dennoch entsteht sofort ein tiefes Band der Freundschaft.

Die Geschichte ist dabei innerhalb weniger Tage erzählt. Tage, in denen die beiden Jugendlichen erwachsen werden – jeder auf seine Art und Weise. Der eine, indem es ihn von seiner Familie wegtreibt, der andere, indem er zu ihr zurückfindet. Am Ende sind Gyllen und William Freunde, wie man sie im Leben nur selten findet. Ob sie sich jemals wiedersehen? Man weiss es nicht. Der Film lässt vieles offen, offeriert damit aber auch einen intensiv-packenden Einblick in die Psyche seiner Figuren, da er immer wieder Dinge andeutet, ohne sie auszusprechen. Als Zuschauer ist man zur Interpretation eingeladen, was diese Figuren noch reichhaltiger werden lässt.

Das gilt für Momente, in denen die beiden miteinander reden, mehr aber noch, als sie schliesslich Gyllens Vater treffen. Hier liegt einiges im Argen, aber auch dabei gilt, dass Schipper andeutet, nicht ausformuliert. Das macht die Stärke des Films aus, der damit in einem interpretativen Zwischenreich existiert. Roads ist die Art Film, bei der es lohnt, sich im Anschluss intensiv damit auseinanderzusetzen.

13.06.2019

4.5

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