Radioactive Grossbritannien 2019 – 104min.

Filmkritik

Das Licht der Erkenntnis

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Das Leben von Marie Curie wurde schon häufiger verfilmt, für ihr Werk hat Marjane Satrapi sich aber nicht einzig und allein auf die überlieferten Fakten verlassen, sondern vor allem Lauren Redniss‘ Graphic Novel als Fundament benutzt. Der unlängst auch in deutscher Sprache erschienene Comic ist eine experimentelle Symbiose aus Wort und Bild, die bisweilen der Akkuratesse abschwört, um das dramatische Element der Geschichte zu forcieren.

Weil sie eine Frau und reichlich unangepasst ist, hat Marie ihr Labor verloren, lernt dann aber Pierre kennen und lieben. In ihm findet sie den Mann, der an ihr schätzt, was andere nicht mögen. Zuerst lädt er sie ein, in seinem Labor zu arbeiten, dann wird schnell mehr daraus – eine private und wissenschaftliche Partnerschaft, die darin gipfelt, dass beide die Existenz eines neuen Elements beweisen. Die Entdeckung der Radioaktivität verändert die Welt, aber Glück beschert sie Marie Curie nicht.

Der Film ist geradliniger als die Graphic Novel. Satrapi deckt Marie Curies ganzes Leben ab, muss sich beim Erzählfluss damit aber auch immer wieder beeilen, da es viel zu sagen und zu zeigen gibt. Der Stoff hätte mehr Raum zum atmen benötigt, so sputet sich die Geschichte am Anfang und hetzt dann von Leistung zu Leistung und von Skandal zu Skandal. Dabei bleibt der Film merkwürdig teilnahmslos. Als Zuschauer spürt man nie den emotionalen Aufruhr, den die von Rosamund Pike gespielte Marie Curie erfahren haben muss. Man vermisst aber auch, dass gezeigt wird, wie ihr ungewöhnliches Leben sich auf ihre Kinder auswirkte. Insbesondere bei Ereignissen wie jenen, als ein Mob vor ihrem Haus skandiert, sie solle gefälligst wieder nach Polen zurückkehren.

Wagemutiger gestaltet sich Radioactive hingegen bei jenen Passagen, die mit Marie Curie weniger zu tun haben, aber zeigen, welche Auswirkungen das von ihr gefundene Element letzten Endes hatte. Es gibt kurze Vignetten eines krebskranken Jungen im Jahr 1957, der mit Strahlentherapie behandelt wird, mit der Atombombe über Hiroshima im Jahr 1945 und der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986. Hier bekommt man den Eindruck, dass die Entdeckung der Radioaktivität mehr geschadet als genutzt hat. Der Film entzieht sich aber einer klaren Positionierung und hält es mehr wie Marie Curies Mann Pierre: Der zieht das Licht der Erkenntnis der Dunkelheit der Unwissenheit vor.

Radioactive ist ein guter Film, er hätte aber überragend sein können. Weil alle Elemente vorhanden sind, die dafür vonnöten gewesen wären, aber letzten Endes gibt das Skript nicht mehr als einen soliden Film her. Vielleicht ist es an der vorhandenen Laufzeit gescheitert, vielleicht hätte der Ansatz ein anderer sein müssen. Aber eines muss man konstatieren: Marjane Satrapis Film hebt sich wohltuend von anderen Marie-Curie-Biopics ab.

05.06.2020

3

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