Nuestras madres Belgien, Frankreich, Guatemala 2019 – 78min.

Filmkritik

Auf den Spuren der Verschwundenen

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

20 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs werden in Guatemala Massengräber ausgehoben, die Toten identifiziert und ihren Angehörigen übergeben. Aus der Sicht eines jungen Mannes erzählt, dessen Vater im Krieg verschwand, ist „Nuestras madres“ ein vehementes Statement gegen das Vergessen.

Am beeindruckendsten sind die Momente, in denen Frauen – meist ältere indigene Frauen mit vom Leben gezeichneten Gesichtern – schweigend in die Kamera schauen. Es sind Dutzende, gegen Ende des Filmes werden es mehr. Sie alle haben erlebt, wovon Cesar Diaz in „Nuestras madres“ erzählt: den von 1960 bis 1996 dauernden guatemaltekischen Bürgerkrieg, in dem ihre Männer, Söhne, Väter spurlos verschwanden.

Doch „Nuestras madres“ ist kein Dokumentar-, sondern ein Spielfilm. Seine Story basiert lose auf der Biografie seines 1978 in Guatemala-City geborenen Regisseurs, der selber lange nicht wusste, wer sein Vater war. Ganz so dramatisch wie im Film, meint Diaz in Interviews, sei seine eigene Geschichte allerdings nicht.

Erzählt wird aus der Sicht des jungen Forensikers Ernesto. Er hilft bei der Aushebung von Massengräbern und ist damit beauftragt, Knochen zu Skeletten zusammenzustellen. Wenn möglich, versucht man danach die Identität des Verstorbenen zu ermitteln und die sterblichen Überreste den Angehörigen zu übergeben, damit sich diese von ihm verabschieden und ihn beerdigen können.

Zeitgleich finden Anhörungen statt, bei denen Frauen erzählen, welche Misshandlungen sie im Laufe des Krieges erlitten haben. Man will aufräumen mit der Vergangenheit, Klarheit erlangen über das Geschehene. Derweil die offiziellen Stellen damit baldmöglichst abschliessen wollen, drängen private Initianten darauf, die Untersuchungen so lang wie nötig weiterzuführen.

Eines Tages steht eine von weither angereiste Frau in Ernestos Büro. Sie bittet um die Durchsuchung eines privaten Grundstücks, auf dem sie die sterblichen Überreste ihres nach einem Angriff verschollenen Mannes wähnt. Auf dem Foto, das sie Ernesto hinstreckt, vermeint dieser seinen Vater zu erkennen, den er nie kennengelernt hat und über den zu sprechen seine Mutter vermeidet. Obwohl Ernesto dazu nicht befugt ist, reist er in die Berge und lässt nichts unversucht, den Wunsch der Alten zu erfüllen.

Mit „Nuestras madres“ ist Cesar Diaz ein emotional starker und berührender Film geglückt. In der gekonnten Durchwirkung beider Geschichten ist dieser ebenso ein packendes Statement wider das Vergessen wie ein vehementer Aufruf für die Stärkung der kollektiven und persönlichen Erinnerung.

18.11.2020

4

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