CH.FILM

Al-Shafaq, Wenn der Himmel sich spaltet Schweiz 2019 – 98min.

Filmkritik

Der verlorene Sohn: Spurensuche im Heiligen Krieg

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Esen Isik schickt einen Mann auf der Suche nach seinem Sohn aus der Schweiz ins umkämpfte Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei.

Ein grüner Lieferwagen fährt mit zwei Särgen durchs syrisch/türkische Grenzgebiet. In den Särgen liegen die Leichen zweier junger Männer: eines syrischen Kurden und eines türkischstämmigen Schweizers. Ersterer, Berdan, starb aus der Heimat geflohen in der vermeintlichen Sicherheit eines Flüchtlingslagers in der Türkei. Der zweite, Burak, hat sich – in der Schweiz in den Clinch zwischen muslimischem Elternhaus und westlicher Gesellschaft geraten – einer radikalen Gruppierung angeschlossen und ist vor einigen Monaten in den Heiligen Krieg gezogen.

Vorn in der Führerkabine sitzen neben dem Chauffeur Baruks Vater Abdullah und Berdans Bruder Malik. Sie sind sich im Krankenhaus ein erstes Mal begegnet und nun unterwegs um ihre Angehörigen zu bestatten, ihre Wege werden sich später wiederholt kreuzen, bis dass sie schliesslich zusammenfinden.

Esen Isik (Köpek) erzählt die Geschichten von Abdullah und Malik als von geo-politischen Verhältnissen und Ereignissen schicksalhaft bestimmte Lebenswege, wobei sie als türkischer Vater, der seinen Sohn, und kurdischer Knabe, der seinen Bruder verlor, überlebende Opfer ein und desselben Konfliktes sind.

Esen Isik hat vor Ort in Zürich und in der Türkei gedreht. Sie treibt die Story bedächtig voran. Erzählt in Rückblenden, Erinnerungen und in grossen elliptischen Sprüngen. Sie erzählt immer aber auch mit sehr feinem Gespür sowohl für Räume und Orte wie für die seelische Befindlichkeit ihrer Protagonisten: Die alltäglichen Auseinandersetzungen der türkischen Familie in der Schweiz. Die Not des muslimischen Vaters, der zu spät merkte und nun schmerzhaft bereut, dass sich sein Sohn unter seiner Fuchtel wegduckte und radikalisierte. Die alptraumhaften Ereignisse, welche Maliks Familie auseinanderrissen. Nicht zuletzt die Verlorenheit des kurdischen Knaben, der sich unter den Fittichen seines Bruders in eine Freiheit zu träumen lernte, die in Wirklichkeit nicht existiert.

Beeindruckend gespielt werden Abdullah von Kida Khodr Ramadan (4 Blocks) und Mailk von Ahmed Kour Abdo, der das erste Mal vor der Kamera stand. Al-Shafaq ist mit Ismail Can Metin (Baruk), Robin Arslan (Berdan) und Beren Tuna (Buraks Mutter) aber auch in weiteren Rollen sehr überzeugend besetzt. Ein in seiner feinfühligen Unmittelbarkeit erschütterndes Drama, von aktuell brennendster Thematik.

30.04.2020

4.5

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Kommentare

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Patrick

vor 4 Jahren

Sehr Eindringlicher Film der zum nachdenken angeregt vorallem das offene Filmende lädt zum Diskutieren und Nachdenken ein.Der Darsteller~Cast spielt sehr überzeugend und durch die kalten Aufnahmen von Zürich und der Kahlen Landschaftsaufnahmen der Türkei kommt das Movie noch Eindringlicher daher.Mehr anzeigen


Pinkzita

vor 4 Jahren

Ein sehr schöner Film mit aktueller Thematik. Sehr zu empfehlen!


daniel_deimel

vor 4 Jahren

Ein Wunderbarer Film.

Die Figuren sind fein, ambivalent und glaubhaft gezeichnet und gespielt.

Die Handlung wird nicht chronolgisch entwickelt, sondern in Vor- und Rückblenden verschachtelt. Dies, ohne dass man den Überblick verliert oder die Spannung flöten geht.

Ein präzises und poetisches Stück Film zu einem nicht leichten Thema.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 4 Jahren


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