1917 Grossbritannien, USA 2019 – 119min.

Filmkritik

Immer in Bewegung

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Man könnte Sam Mendes‘ neuesten Film auf die technische Brillanz reduzieren – damit würde man diesem Meisterwerk aber nicht gerecht. Denn so sehr «1917» mit seiner formalen Kühnheit fasziniert, so sehr funktioniert das wie ein One-Shot-Film gedrehte Kriegsdrama auch als emotionale Geschichte, bei der selten ein Moment der Ruhe gegeben ist – und wenn es ihn dann doch gibt, dann ist er von immenser Menschlichkeit geprägt. Grossartig!

Im April 1917 haben sich die Deutschen einige Kilometer zurückgezogen. Das sieht ein Kommandant als die Chance, um vorzurücken und den Feind endgültig zu vertreiben. Das Ganze ist jedoch eine Falle, und das Oberkommando ist sich dem bewusst. Da die Kommunikationslinien zerstört sind, schickt man zwei junge Soldaten (Dean-Charles Chapman, George MacKay) los: Diese müssen gegen die Zeit anrennen, um zu verhindern, dass bei Dämmerung ein mit grosser Wahrscheinlichkeit in einem Massaker endender Angriff befohlen wird. Für einen der beiden jungen Männer steht dabei auch persönlich etwas auf dem Spiel, denn sein Bruder gehört der Truppe an, die angreifen soll.

Mendes wollte in Echtzeit erzählen. Und nicht nur das: Mit seinem Kameramann, dem mehrfach Oscar-prämierten Roger Deakins, entwickelte er eine noch weit kühnere Idee. Der Film sollte in einer einzigen Einstellung erzählt werden. Natürlich sind unsichtbare Schnitte vorhanden. Man erkennt sie mit einer Ausnahme nicht, sondern ist vielmehr davon begeistert, wie sehr der Film einen in die Geschichte hineinzieht. Denn dadurch, dass die Kamera immer nahe an den beiden Hauptfiguren dran ist und mit ihnen durch die Schützengräben und übers offene Feld läuft, hat man eine fast schon unheimliche Direktheit, die es sonst so nicht gibt.

Da die Kamera über Drähte bewegt, aber auch von Kameramännern im Lauf getragen wurde, und die gesamte 360-Grad-Landschaft Teil der Erzählung ist, gibt es so etwas wie eine Ausleuchtung nicht. Die Beleuchtung ist natürlich, und das macht diesen Film nur umso realistischer. Als einer der beiden Soldaten bei Nacht durch eine verwüstete französische Kleinstadt läuft und von Deutschen beschossen wird, entwickelt der Film eine unglaubliche Sogwirkung. Man fühlt sich ein wenig an Videospiele erinnert, der Film geht aber weit darüber hinaus.

Denn so bemerkenswert er in technischer Hinsicht auch ist, ist es doch auch die Menschlichkeit, die besonders beeindruckt – unter Freunden, unter Fremden, ja, sogar unter Feinden. Die exzellent besetzte Produktion – in kleinen Nebenrollen sind bekannte Gesichter wie Benedict Cumberbatch oder Colin Firth zu sehen – ist zweifelsohne einer der grossen Kriegsfilme der Filmgeschichte und wird sicherlich mit Preisen überhäuft werden.

21.01.2020

4.5

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Kommentare

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RobertdeNirosta

vor einem Monat

Absolut herausragendes Kino-Meisterwerk der 2020er Jahre, und einer der besten (Anti)-Kriegsfilme aller Zeiten. Besonders durch die geniale One-Shot-Inszenierung in Echtzeit, entwickelt die dramatische Mission einen unwiderstehlichen Sog der einen als Zuseher in den Bann zieht. Die eher unbekannten Darsteller verkörpern ihre Rollen absolut perfekt. Selten hat es ein Film geschafft die Sinnlosigkeit von Krieg so deutlich darzustellen. Meine Wertung : Ein Meilenstein.Mehr anzeigen


8martin

vor 2 Monaten

Sam Mendes ist wieder einmal ein grandioser Film gelungen. Mit Gespür für die schier übermenschlichen Anstrengungen der aktiven Soldaten gelingt ihm ein ganz persönlicher Anti-Kriegsfilm. (Sein Großvater hatte ihm davon erzählt.) Mit Tempowechsel zwischen der Grausamkeit des Kriegsgeschehens und berührender Menschlichkeit wie z.B. eine junge Frau (Claire Duburcq) mit fremdem Baby in den umkämpften Ruinen ist ihm ein Anti-Kriegsfilm der besonderen Art gelungen. Gekonnt wurden Individualschicksale in Massenszenen eingebunden. Corporal William Schofield (George MacKay) wächst über sich hinaus und stellt sein Leben in den Dienst seines Auftrages, der hunderten von Landsleuten das Leben rettet. Es soll ein Angriff gestoppt werden, mit dem die Deutschen die Alliierten in eine Falle locken wollen. Deshalb überbringt er einen Befehlt von General Erinmore (Kurzauftritt von Colin Firth) zu Colonel Mackenzie (David Cumberbatch). Schofield verliert auf tragische Weise seinen Freund Tom Blake (Dean-Charles Chapman), durch einen Piloten, den sie zuvor aus dem brennenden Flieger gerettet hatten. Corporal Schofield gelingt es zwar den Befehl ordnungsgemäß zu überbringen. Aber zu welchem Preis. George MacKay gelingt es auch die seelischen Narben, die er erlitten hat sichtbar zu machen. Er spielt hier einen Kämpfer, der unter der Oberfläche ein Mensch bleibt und das auch zeigen kann. Hier ist der Krieg im wahrsten Sinne des Wortes dreckig: Leichenberge, Waffenschrott, Ratten und die ständige Bedrohung durch Bomben, Minen oder Heckenschützen lassen nichts Heroisches am Krieg erkennen. Durch nur wenige Schnitte ist der Zuschauer so nah am Geschehen, dass ihm fast der Schlamm buchstäblich um die Ohren fliegt. Im Vorfeld gab’s schon mal 10 Nominierungen, einige werden davon bestimmt mit dem Goldjungen gekrönt.Mehr anzeigen


Benji72

vor 4 Jahren

Ein großartig gemachter Film mit eindrücklichen
Bilder. Starke Schauspieler! Sehenswert!


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