What They Had USA 2018 – 101min.

Filmkritik

Family Affairs

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Elizabeth Chomko stellt in ihrem Regiedebut eine zerrissene Familie ins Zentrum, die sich aufgrund einer Alzheimer-Erkrankung der Mutter zwangsläufig zusammenraufen muss – doch das ist wie so oft im Leben leichter gesagt als getan.

Dass ihre an Alzheimer erkrankte Mutter Ruth (Blythe Danner) barfuss und im Nachthemd nachts mitten in einen Schneesturm hineinspaziert, nimmt sich Bridget (Hilary Swank) zum Anlass, sich auf der Stelle zusammen mit ihrer zurzeit sehr distanzierten Tochter Emma (Taissa Farmiga) in ein Flugzeug zu setzen, um nach Chicago zu ihren Eltern zu reisen und vor Ort die unhaltbare Situation zu klären: Sie will ihren Vater Bert (Robert Forster) überzeugen, Ruth in eine professionelle Einrichtung zu geben. Doch für diesen kommt es nicht in die Tüte, seine Frau, die er über alles liebt, fremden Menschen anzuvertrauen.

Und auch Bridgets Bruder Nick (Michael Shannon), der anders als seine Schwester in der gleichen Stadt wie seine Eltern lebt und am alltäglichen Geschehen viel näher dran ist, hat ein Wörtchen mitzureden – schon bald kommen Dinge aus der Vergangenheit an die Oberfläche, welche die gesamte Familie auf eine harte Probe stellen. Doch nicht nur alte Wunden reissen wieder auf; Bridget muss aufgrund des schmerzlich gewonnenen Bewusstseins hinsichtlich der Vergänglichkeit des Lebens auch ihre eigenen Entscheidungen hinterfragen: Die Frau in den Vierzigern hat sich seit sie denken kann um die Familie gekümmert – zunächst um ihre Eltern, danach als junge, verheiratete Frau um ihre zwei Töchter und ihren vielbeschäftigten Ehemann, der ihr nun aber immer fremder zu werden scheint.

What they had ist Elizabeth Chomkos Regiedebut, für das sie auch das Drehbuch geschrieben hat, welches viele Parallelen zu ihrer eigenen Familie und ihrer eigenen Geschichte aufweist. Diese Anlehnung am echten Leben ist im Film förmlich spürbar: Die Dialoge sind authentisch, die Figuren realistisch, die Probleme und Differenzen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern ehrlich. Da ist der Bruder, der im Schatten der Schwester gestanden hat, nun aber selbst etwas zu sagen hat; da ist der Vater, der merken muss, dass es beinahe unmöglich ist, beide Kinder gleich zu behandeln, da ist Bridgets Tochter, die auf keinen Fall den Erwartungen ihrer Eltern entsprechen kann oder will. Und mittendrin Bridget, die ausgelöst durch die Krankheit ihrer Mutter und der starken Liebe zwischen ihren Eltern realisiert, dass sie im Leben viel zu wenig darüber nachgedacht hat, wohin sie will.

Das Drama deckt darum über das Familienthema hinaus viele weitere Themen ab: Zum Beispiel, wie man mit Krankheit, Tod und Schmerz umgeht, was ein Leben lebenswert macht, was eine gute Beziehung ausmacht. Das alles macht Elizabeth Chomko in ihrem Erstling mit feinfühligem Humor und dem richtigen Gespür für tragische Momente. Ein Glücksgriff für das bewegende Drama ist auch seine Besetzung, die mit Hilary Swank und Michael Shannon zwei Ausnahmetalente gewinnen konnte, die nicht nur als Schwester und Bruder, sondern auch als Produzenten fungierten und spürbar Herzblut in das Projekt hineinfliessen liessen: What they had bringt dank den leisen Zwischentönen zum Lachen und Weinen – etwas, das Kino sonst eher selten schafft.



15.05.2019

4

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Kommentare

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shoshanna

vor 4 Jahren

Berührend


as1960

vor 4 Jahren

In "What They Had" reist Hilary Swank zu Ihrer Familie, um die Situation betreffend ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter zu klären. Der Vater weigert sich seine Frau in ein Heim zu bringen. Dabei brechen wieder alte Famlienstreitigkeiten aus, Unausgesprochenes wird gesagt und die Vergangengenheit holt die Protagonisten wieder ein. Das alles wird unaufgeregt, mit einen berührenden Mix von Melancholie und Humor erzählt. Der Film erfindet das Genre Drama sicher nicht neu, kann aber auf gehobenen Niveau unterhalten.Mehr anzeigen


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