The White Crow Frankreich, Grossbritannien 2018 – 127min.

Filmkritik

Der sich in die Freiheit tanzt

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Ausgehend von den fünf Wochen, die dieser vor seiner Flucht in den Westen 1961 in Paris verbringt, zeichnet Ralph Fiennes die frühen Jahre des russischen Ballett-Tänzers Rudolf Nurejew nach.

Als „weisse Krähe“ bezeichnet man im Russischen sowohl einen „Aussenseiter“ wie auch ein „Ausnahmetalent“. Und dass Rudolf Nurejew, der im 1938 während einer Reise mit der Transsibirischen das Licht der Welt erblickt, etwas Besonderes ist, davon ist seine Mutter fest überzeugt. Und auch Nurejew ist von sich selber total überzeugt als er, 1961 bei einem Bankett in Paris gefragt, ob er heute Abend auch getanzt habe, schnöde antwortet: „Hätte ich getanzt, würden Sie sich erinnern“.

Auf den fünf Wochen auf, die Nurejew als Mitglied des Leningrader Kirow-Balletts in der Hochblüte des Kalten Krieges in Paris verbringt, baut The White Crow auf. Er schildert zum einen, wie der 23-Jährige mit seiner charismatischen Aura, seiner intensiven Bühnenpräsenz und seinem für damalige Verhältnisse ungewohnt „femininen“ Tanzstil Paris im Sturm erobert. Mehr Gewicht aber wird gelegt auf die Wirkung, welche westliche Kultur und Lebensart auf Nurejew haben: Obwohl KGB-Agenten die Mitglieder der Balletttruppe überwachen, gelingt es ihm immer wieder, sich abzusetzen. Sei es, um allein im Louvre die Meister zu studieren oder durch Paris‘ Ladenstrassen zu flanieren. Oder aber um West-Freundschaften zu schliessen. Mit dem Tänzer Pierre Lacotte und der jungen Chilenin Clara Saint, dank denen er das Pariser Nachtleben kennenlernt.

Eingeflochten in die fünf Wochen, an deren Ende Nurejew sich in den Westen absetzt, finden sich Erinnerungen an sein bisheriges Leben. Die in Armut verbrachte Kindheit und seine liebevolle Mutter. Die harten Lehrjahre unter Ballettmeister Alexander Puschkin, der sich zusammen mit seiner Frau um seine so talentierten wie eigenwilligen und ehrgeizigen Eleven auch privat kümmert.

The White Crow beruht auf den ersten sechs Kapiteln von Julie Kavanaghs «Rudolf Nurejev: Die Biografie». Es ist nach Coriolanus und The Invisible Woman Ralph Fiennes dritter Film als Regisseur, er selber spielt darin Puschkin. Nurejew wird – tänzerisch glänzend, schauspielerisch nicht ganz überzeugend – gespielt vom ukrainischen Ballettstar Oleg Ivenko. Auf 16mm gedreht und mit ausgesprochenem Flair für historische Details inszeniert, lässt The White Crow atmosphärisch dicht das Zeitkolorit der frühen 1960er aufleben. Er enthält als Biopic um einen der grössten Tänzer aller Zeiten zwar erstaunlich wenige Tanzszenen. Diese wenigen aber, in denen weitere grosse Tänzer wie Sergei Polunin mitwirken, sind vom Feinsten.

23.08.2019

4

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Kommentare

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nick74

vor 4 Jahren

viel fürs Auge und packend erzählt, empfehlenswert


thomasmarkus

vor 4 Jahren

Anspielungsreich, mit vielen Rückblenden, irgendwie tänzerisch...


Poletta

vor 4 Jahren

Interessant


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