Ray & Liz Grossbritannien 2018 – 108min.

Filmkritik

Verwahrlosung und Elend

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Auf schonungslos ehrliche und wahrhaftige Weise erzählt der autobiografische Film Ray & Liz von einer dysfunktionalen Eltern-Sohn-Beziehung im England der 80er-Jahre.

Die Billinghams leben mit ihren zwei Kindern in einem Vorort von Birmingham und versuchen über die Runden zu kommen. Mittendrin: Sohn Richard (Sam Plant) und dessen Bruder Jason (Joshua Millard-Lloyd), die mit den Stimmungsschwankungen der Eltern zu kämpfen haben. Kein Wunder: Vater Ray (Justin Salinger) ist ein Trinker und die übergewichtige, mit Tätowierungen übersäte Mutter Liz (Ella Smith) lässt sich lethargisch durch den Tag treiben. Es ist ein Leben geprägt von Armut und Eintönigkeit.

Ray & Liz basiert auf den Jugenderinnerungen des Künstlers Richard Billingham, der 1996 mit seiner Fotosammlung „Ray's a Laug“ bekannt wurde. Die Bilder zeigten sein Leben und den Alltag mit seiner Familie. Ab den späten 90er-Jahren widmete sich Billingham auch dem Medium „Dokumentarfilm“ – Ray & Liz ist nun sein erster Spielfilm.

In drei Episoden erzählt Billingham von seiner Jugend im „Black Country“, gelegen in den Midlands bei Birmingham. Ein Ballungsgebiet, das bekannt ist für seine schäbigen Stadtviertel und die hohe Armutsrate. Ray & Liz zeichnet sich dabei von Beginn an durch einen extrem hohen Grad an Authentizität und Wahrhaftigkeit aus. Dank der realitätsnahen (Innen-)Ausstattung mit all ihren detailgetreuen Requisiten und originalen Gegenständen aus jener Zeit wirkt Ray & Liz teils sogar wie eine Dokumentation. Hinzu kommt, dass der Film exakt an dem Ort gedreht wurde, von dem er erzählt: Eine Nachbarwohnung gegenüber jener, welche die Familie einst bewohnte, wurde kurz vor Drehbeginn frei.

Ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten des Zuschauers schildert Billingham den dortigen Alltag so, wie er eben war. Mit Eltern, die sich lieber um den Familienkarnickel als die eigenen Söhne kümmern. Die Mutter, ein kettenrauchendes Wrack, das nur zum Puzzeln das Bett verlässt. Der Vater, dauerfluchend und cholerisch, hangelt sich von Rausch zu Rausch. Und zwischendurch sieht man den Hund, wie er in den Flur pinkelt, weil sich in diesem Moloch jeder um sich selbst kümmern muss.

Billingham klagt mit Ray & Liz aber nicht seine Eltern an, die er trotz allem liebte. Daraus macht er keinen Hehl. Vielmehr geht es ihm darum, die frühere Thatcher-Regierung und deren restriktive Sozialpolitik zu kritisieren. Dies wird vor allem anhand einer Szene, in der ein Sozialarbeiter aufkreuzt, deutlich. Seit den späten 70er-Jahren sorgte das mehr und mehr privatkapitalistisch angelegte soziale System Englands dafür, dass sich Armut – gerade in den wirtschaftlich schwachen Regionen – weiter ausbreitete und Familien daran zugrunde gingen. Die Familie Billingham war eine von ihnen.

15.05.2019

4

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