Gloria Bell Chile, USA 2018 – 102min.

Filmkritik

Ein Versuch in Sache Liebe

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Der Chilene Sebastián Lelio hat seinen Film Gloria, der 2013 in Santiago spielte, im Los Angeles von 2018 mit der sensationellen Julianne Moore in der Hauptrolle neu verfilmt.

Es kommt ab und zu vor, dass in den USA das Remake eines anderswo auf der Welt entstandenen, meist erfolgreichen Filmes entsteht. Nicht immer ist das Resultat derart entzückend wie im Falle von Gloria Bell, der Neuverfilmung von Sebastián Lelios vielfach ausgezeichneten Gloria (2013). Die Geschichte, im ersten Film in Santiago angesetzt, in der Neuverfilmung in Los Angeles spielend, ist einfach. Sie dreht sich um die Titelheldin: eine seit zwölf Jahren geschiedene Frau Mitte/Ende fünfzig. Gloria hat zwei erwachsene Kinder, ihr Mann hat wieder geheiratet. Sie arbeitet bei einer Versicherung, hat ein paar Freundinnen und Bekannte, doch niemanden, der ihr wirklich nahe steht. Ihre freien Abende verbringt sie öfters in einem etwas heruntergekommenen Tanzlokal, in dem sich eine vorwiegend schon etwas ältere Klientel vergnügt. Hier macht Gloria eines Abends die Bekanntschaft eines gutaussehenden und charmanten Mannes in ungefähr ihrem Alter; Rodolfo heisst er in Gloria, Arnold in Gloria Bell, ersterer ist ein ehemaliger Marine-Offizier, der zweite besitzt einen Paintball-Park.

Spätestens ab hier, aber eigentlich schon früher, muss man die beiden Filme trennen. Denn wo Gloria oft geradezu bedrückend vom verzweifelten Kampf einer Frau gegen ihre Einsamkeit erzählte, handelt Gloria Bell von einer Frau, die – auch wenn sie dieses ursprünglich vielleicht nicht freiwillig gewählt hat – mit ihrem Single-Dasein durchaus klar kommt und ihre Freiheit geniesst. Neckisch verspielt lässt sich Gloria auf Arnolds Annäherungen ein; die nun folgenden Szenen, in denen Julianne Moore und John Turturro vorführen, wie zwei Erwachsene miteinander flirten und einander zögerlich näher kommen, ist sensationell grosses Kino. Es kommt in der Folge anders als himmelhochjauchzend: Sowohl Gloria als auch Arnold bringen einen prallen Rucksack bereits gelebter Leben und Beziehungen mit sich, und ihre Vorstellungen einer gemeinsamen Zukunft klaffen meilenweit auseinander.

Lelio hat Gloria Bell mit wenig Aufwand und feinem Gefühl für Lokale, Orte und Stimmungen „realitätsnahe“ inszeniert und spiegelt die Gefühle seiner Protagonistin in einer bunten Reihe von von dieser teilweise mitgeträllerten Ohrwurm-Hits. Vor allem aber lebt Gloria Bell von Julianne Moore, welche Gloria in ihrer ganzen Stärke und zugleich Zerbrechlichkeit in sensationell feinfühligem Spiel geradezu betörend wahrhaftig verkörpert.

13.05.2019

4.5

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Kommentare

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oliver69

vor 4 Jahren

Ziemlich absehbare Ereigniße, blutleere und prüde Gesellschaft, reflexionsarme Protagonisten die diesen Film unausstehlich machen. Nichts tun scheint beßer als etwas falsches zu wagen. Speziell die Rolle von Rodolfo ist derart lebensfern, daß ich mich zuhause vor RTL2 wähnte.


Berufsromantiker

vor 4 Jahren

Die schauspielerische Leistung ist grandios; okay, das Leben ist auch oft ungerecht und langatmig, aber bei mir ist der Funke einfach nicht übergesprungen? Und ich als Mann könnte mit einer Frau wie Gloria Bell nichts anfangen. Sorry.


sablecoat

vor 4 Jahren

Bedrückender Film! Joints, Alkohol, etwas Sex - hauptsächlich Einsamkeit und lieblose Familiengeschichten ohne positive Emotionen!


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