Dogman Frankreich, Italien 2018 – 102min.

Filmkritik

Die Ballade vom tapferen Hundefrisör

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Zehn Jahre nach seinem aufsehenerregenden Gomorra dringt Matteo Garrone erneut in Italiens verbrecherische Sümpfe vor. Im Zentrum seines Dramas steht ein von Marcello Fonte mit der Courage des kleinen Mannes gespielter Hundesalon-Besitzer, der sich nach nichts mehr sehnt als Friedlichkeit.

Am Rande eines verkommenen Küstenortes im Süden Italiens – gedreht hat man in Castel Volturno nördlich von Neapel – betreibt ein gewisser Marcello einen Hundesalon. Er wird grossartig herzensgut, manchmal leise verzweifelt gespielt von Marcello Fonte, und seine Ansprüche sind bescheiden. Es fuchst ihn bloss, dass er die Reisen, von denen er mit seiner zehnjährigen Tochter Alida träumt, in Wirklichkeit wohl nie antreten wird. Alida hängt trotzdem an ihrem Vater. Auch die Hunde mögen Marcello, und deren Besitzer vertrauen ihm ihre Lieblinge auch schon mal als Pensionäre an. Dann wäscht, frisiert, föhnt Marcello diese nicht nur, sondern geht mit ihnen auch spazieren, mittags sitzt er mit den anderen Ladenbesitzern in der Taverne: Es könnte alles friedlich und gemütlich sein.

Doch vor kurzem wurde der Ex-Box-Champion Simoncino aus der Haft entlassen. Er ist ein Hüne, egozentrisch, aufbrausend, streitsüchtig, ein bisschen wie „Laurel & Hardy“ sehen Marcello und Simoncino nebeneinander aus. Doch eine Komödie ist Dogman trotz einigen köstlich aberwitzigen Szenen nicht. Und weil Simoncino nicht nur regelmässig auf seinem Motorrad mit Karacho durchs Quartier braust, sondern zwischendurch seine Mutter spitalreif prügelt, ist man sich einig, dass man, um mit ihm fertig zu werden "jemanden anheuern" muss. Vorerst aber ist Simoncino Marcellos Problem. Denn nur ein Saubermann ist Marcello nicht. Er dealt – Simoncino ist sein bester Kunde – und Marcello bedient ihn selbst dann, wenn er unvernünftige Risiken eingehen muss. Und er kann sich nicht wehren, als Simoncino ihm den Schlüssel zum Hundesalon abnimmt, um durch dessen Wand ins benachbarte Juweliergeschäft einzubrechen. Doch als Marcello aus dem Gefängnis zurückkehrt, ist er nicht mehr derselbe wie zuvor.

Matteo Garrone hat bereits in seiner Sachbuchverfilmung Gomorra (2008) bewiesen, dass er ein Meister der präzisen Milieuschilderung ist. Auch Dogman, angeblich auf tatsächlichen Ereignissen beruhend, überzeugt mit faszinierend farbblassen Bildern und einem ausgetüftelten Soundtrack vorerst als vermeintlich präzise Gesellschaftsstudie. Doch weil Garrone auf eine exakte Verortung verzichtet, erlangt sein Film über sich hinausweisend eine märchenhafte Universalität und wird letztlich zu einer brecht'schen Ballade über den (verzweifelten) Mut der Kleinen.



15.02.2024

4.5

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Kommentare

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Barbarum

vor 5 Jahren

Italienischer Neorealismus der neuen Generation. Vortrefflich gefilmt und superb besetzt.


Deg89

vor 5 Jahren

Hochgezüchtetes, europäisches Pracht-Kino der besonderen Art. Minimalistischer Einsatz von Kulisse und Handlung sorgen für einen fokussierten Blick auf wunderbar agierende Figuren, die eine bedrückende Gesellschaft zum Leben erwecken. Die sensationelle Kamera ist dabei der Rudelführer des Films. Dogman bringt Lichtspielhäuser zum Bellen.

Ganze Kritik: https://movicfreakz.de/dogman/Mehr anzeigen


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