Der Trafikant Österreich, Deutschland 2018 – 117min.

Filmkritik

Die Zeit des Umbruchs

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Ein Teenager lernt kurz vor dem Zweiten Weltkrieg den Psychoanalytiker Sigmund Freud und die Liebe kennen. Der Trafikant erzählt vom Erwachsenwerden, der Macht der Gefühle und dem aufkeimenden braunen Terror.

Der siebzehnjährige Franz Huchel (Simon Morzé) kommt 1937 nach Wien und beginnt eine Lehre in der Trafik von Otto Trsnjek (Johannes Krisch). Der schrullige Kauz bringt dem naiven Franz alles über Tabak, Zeitungen und Kundenkontakt bei. Seine erste Lektion in Sachen Liebe erhält Franz von der Varietétänzerin Anezka (Emma Drogunova). Er verliebt sich hoffnungslos in die Künstlerin, die jedoch nur eine Affäre sucht. Rat sucht der liebeskranke Teenager bei einem weltberühmten Psychoanalytiker, der zu Trsnjeks Stammkunden zählt: Sigmund Freud. Zwischen Freud und Franz entwickelt sich eine Freundschaft, doch kurz darauf ändert sich die politische Lage: Die Deutschen haben Österreich ans Reich angeschlossen.

Der Trafikant beruht auf dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler, der 2012 veröffentlicht wurde. Regie führte Nikolaus Leytner, der seit seinem letzten Kinofilm (Drei Herren, 1998) vor allem fürs Fernsehen tätig war. So realisierte er unter anderem einige Episoden erfolgreicher Krimi-Formate wie «Tatort» und «Der Bulle von Tölz». Premiere erlebte Der Trafikant auf dem diesjährigen Filmfest von Kitzbühel.

Coming-of-Age, Romanze, Biographie und Drama vor historischem Hintergrund – all dies ist Der Trafikant zu gleichen Teilen. Die Zusammenführung dieser verschiedenen Genres hätte schon beim Roman gehörig ins Auge gehen können. Die Leichtigkeit und die milde Melancholie, die bei Seethaler immer mitschwangen, erwiesen sich jedoch als Triumph. Bei Leytner ist es vor allem das Entrückte beziehungsweise Surreale, das den Film und seine Einzelteile zusammenhält – und ihm etwas märchenhaft Unwirkliches verleiht. Trotz der Tragik des historischen Kontexts.

Denn ein wesentliches Element sind Franz‘ mal beklemmenden, mal berauschenden Traumsequenzen. Leytner versieht diese konsequent mit einem Blaustich und hebt sie so allein schon optisch vom Rest des Films ab. In diesen Träumen, in denen auch phantastische Kreaturen auftauchen, manifestieren sich Franz‘ Sorgen und Hoffnungen. Dabei ist die Hoffnung etwas, das im Film keinen Bestand hat. Je näher die Nazis dem Anschluss rücken und damit deren Präsenz in der Stadt zunimmt, desto rauer wird der Ton und desto düsterer die Stimmung. Dennoch gibt es viele Momente des Glücks, kurze Lichtblicke und vergnügliche Szenen, die der Zuschauer mit dem beherzt aufspielenden Simon Morzé erleben darf. An seiner Seite stehen die durchweg überzeugenden und souverän agierenden (Neben-)Darsteller, die ihre vielschichtigen Figuren feinsinnig und dringlich verkörpern.

19.10.2018

4

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Kommentare

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Patrick

vor 5 Jahren

Das Zusammenspiel von Simon Morzé&Bruno Ganz(Bruno Ganz leider in seiner letzten Rolle) ist Famos Kostüme und die zeitgemässe Ausstattung ist ebenfalls famos..Die Story die in realistischer Zeitgeschichte eingepackt ist,kommt Interessant aber auch etwas steif und zu gemächlich daher.Dafür gibts von Mir 3.1/2 Sterne von 5.In diesem Sinne R.I.P.Bruno Ganz und Danke für deine Filme.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


nick74

vor 5 Jahren

hat mir sehr gut gefallen


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