Beautiful Boy USA 2018 – 120min.

Filmkritik

Albtraum Drogensucht

Gaby Tscharner
Filmkritik: Gaby Tscharner

Eindrückliche Leistungen von Steve Carell und Timothée Chalamet in einem Film, der wie der rechte Haken eines Boxers noch lange nach Filmende in der Magengegend weh tut.

Der Journalist David (Steve Carell), ein hingebungsvoller Vater, versucht verzweifelt, die Ursache der unerklärlichen und zerstörerischen Methamphetamin-Sucht seines Sohnes Nic (Timothée Chalamet) zu ergründen. Unendliche Male holt er ihn aus der Gosse und begleitet ihn zum Entzug, nur um sein Kind immer wieder rückfällig werden zu sehen.

Beautiful Boy des belgischen Filmemachers Felix Van Groeningen (sein Film Broken Circle war 2014 für den einen Oscar in der Kategorie «Bester fremdsprachiger Film» nominiert) basiert auf der wahren Geschichte von David und seinem Sohn Nic Sheff, die ihre Erfahrungen mit Drogen und Sucht in den beiden Memoiren „Beautiful Boy“ und „Tweak“ festgehalten haben. Nic hatte eine behütete Kindheit, die, mal abgesehen von der Scheidung seiner Eltern, scheinbar kaum Grund für Trauma bot. Nic ist ein äusserst liebevoller, intelligenter und begabter Junge, der von seinem stolzen Vater für seine Leistungen und Fähigkeiten viel gelobt und angespornt wird.

Der Film beschreibt Nics Kindheit mithilfe von zahlreichen Rückblenden und nicht linearen Zeitsprüngen, die den Zuschauer wohl absichtlich zunehmend desorientieren. Während Nic weiter in das schwarze Loch harter Drogen wie Heroin und Methamphetaminen fällt, ertappt man sich dabei, ständig nach einem Grund für sein Suchtverhalten zu suchen. „Ich hatte Angst, dich zu enttäuschen“, gibt Nic nach einem der vielen Aufenthalte in der Reha zu. Aber ist das genug, um sein Leben und seinen Körper zu zerstören? Wir kriegen darauf keine Antwort. Als David realisiert, dass seine Fürsorge Nics Sucht nur schürt, bricht uns Steve Carrells Darstellung das Herz.

Im Gegensatz zu Filmen wie Wir Kinder vom Bahnhof Zoo oder Trainspotting, die Drogensucht aus der Perspektive eines Junkies zeigen, wird Beautiful Boy vorwiegend durch den Blickwinkel des Vaters erzählt. Das führt zu Momenten der Distanziertheit, denn wir sehen nie wirklich den ganzen Horror der Drogensucht. Abgesehen von einer Überdosis auf der Toilette bleiben uns die schlimmsten Aspekte eines Junkielebens erspart, was für die Authentizität des Films nicht unbedingt förderlich ist.

Chalamet verkörpert die Verschlagenheit, den Charme und die Verzweiflung, mit der ein Süchtiger das Geld für den nächsten Schuss auftreibt, derart wahrheitsgetreu, dass es einem bisweilen den Atem raubt. Davids stete Suche nach einer Heilung für sein Kind, einem Pflaster, das auf die Wunde des einst so süssen Jungen geklebt werden kann, ist nur allzu verständlich. Nur, die Sucht folgt nicht dem Verstand, und David muss die harte Entscheidung treffen, ob er seinem Sohn künftig nicht mehr helfen und damit möglicherweise Nics Leben riskieren will. Beautiful Boy und seine grossartigen Hauptdarsteller werden als die ersten Oscar-Anwärter des Jahres gehandelt.



02.10.2018

4

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Kommentare

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julianne

vor 5 Jahren

War sensationell und genau so stark wie Star is Born oder the Favorite und der Film wurde nicht für den oscar nominiert unglaublich ! So ein starkes Drama Timothée Steve Carell und Amy Ryan oscar !!


nick74

vor 5 Jahren

Hat mir sehr gut gefallen, jedoch fand ich Ben Is Back besser, daher 4 von 5 Sternen


cicipurla

vor 5 Jahren

Was kann man da noch sagen? Ich wusste zwar über die Thematik, die ist ja auch nicht neu. Das Thema ist seit Ewigkeiten bekannt, man hört und sieht viele Reportagen darüber. Aber dieser Film hat mich umgehauen. Der ganze (volle) Kinosaal war nur noch still. Erschlagen und erschüttert verliess ich den Saal. Sehr feinfühlige, unglaublich authentische Verfilmung einer traurigen Geschichte. Als Mutter eines Teenagers schier unerträglich zu sehen.Mehr anzeigen


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