Ash is Purest White China, Frankreich, Japan 2018 – 136min.

Filmkritik

Wie Phönix aus der Asche

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

In seinem neuen Spielfilm, der 2018 in Cannes seine Weltpremiere feierte, erzählt Zhangke Jia (A Touch of Sin), einer der bedeutendsten Regisseure des chinesischen Gegenwartskinos, die mitreissende Geschichte einer Frau, die urplötzlich alles verliert, was ihr lieb und teuer ist.

Zu Beginn hat die selbstbewusste Qiao (Tao Zhao) noch einen festen Platz: An der Seite ihres Partners Bin (Fan Liao), eines einflussreichen Gangsters, bewegt sie sich ausgelassen durch das Nachtleben einer Provinzmetropole. Inmitten des von Männern dominierten Verbrechermilieus wirkt Qiao keineswegs wie ein Fremdkörper, auch wenn sie sich selbst nicht als Teil der Unterwelt betrachtet. Ihre Verstrickung wird allerdings schmerzhaft deutlich, als die Mitglieder einer aufstrebenden Jugendgang Bin auf offener Strasse attackieren. Kurzerhand greift Qiao zur Waffe und schlägt die Angreifer mit Warnschüssen in die Flucht. Da in China der Besitz einer Pistole verboten ist und die Retterin alle Schuld auf sich nimmt, wandert sie für fünf Jahre in den Knast. Nach ihrer Entlassung will sie Bin ausfindig machen, merkt aber schnell, dass sich vieles verändert hat.

Schon im ersten Drittel, das unaufgeregt den Alltag der Protagonistin beschreibt, liegt über den stimmungsvollen Bildern von Kameramann Éric Gautier (The Mercy – Vor uns das Meer) ein Hauch von böser Vorahnung. Qiao und Bin begegnen sich auf Augenhöhe, führen eine von Vertrauen geprägte Beziehung, gehören aber einem gefährlichen Umfeld an, in dem der Tod an jeder Ecke lauert. Nicht von ungefähr schlägt die lebensfrohe Frau in einem Moment des Innehaltens vor, das Gangsterdasein aufzugeben und irgendwo einen Neustart zu wagen.

Mit dem nach rund 40 Minuten schockartig über den Zuschauer hereinbrechenden brutalen Überfall auf den Verbrecherboss schwindet augenblicklich jede Hoffnung auf eine erfüllte Zukunft. Nach einem Zeitsprung von fünf Jahren entwickelt sich Ash Is Purest White zu einer verzweifelten Suche nach Halt, einem Kampf um eine zweite Chance und die Rückeroberung der eigenen Würde. Obwohl sie im Gefängnis viele Kräfte gelassen hat, traurig und ausgemergelt wirkt, legt Qiao eine Beharrlichkeit an den Tag, die man nur bewundern kann. Fesselnd ist das melancholische Liebesdrama vor allem deshalb, weil sich Hauptdarstellerin Tao Zhao, die Ehefrau des Regisseurs, mit äusserster Intensität in ihre Rolle stürzt.

Wie so oft in Jias Filmschaffen sind in die Odyssee der Hauptfigur auf kluge Weise die zum Teil drastischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen Chinas eingearbeitet – was dem aufwühlenden Geschehen zusätzliche Wucht verleiht.

14.05.2019

4

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