Alles ist gut Deutschland 2018 – 93min.

Filmkritik

Überlebensprinzip Verdrängung

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Unaufgeregt und lebensecht erzählt Eva Trobisch in Alles ist gut von einer Frau, die nach einer Vergewaltigung so weiterzuleben versucht, als wäre nichts passiert. Es ist ein stiller, kräftezehrender Kampf gegen den seelischen Schmerz.

Alles ist gut – diesen Eindruck möchte Janne (Aenne Schwarz) vermitteln. Aber sie trägt eine Last mit sich herum und langsam verliert sie die Kraft, den Schein zu wahren. Der Grund dafür ist Martin (Hans Löw), der Schwager ihres Chefs Robert (Tilo Nest). Seit Robert Janne einen Job bei sich in der Firma verschafft hat, trifft sie Martin täglich im Büro – und wird so fortwährend an ein traumatisches Ereignis erinnert. Denn vor einiger Zeit kam es nach einem harmlosen Flirt zwischen Janne und Martin zu einer Vergewaltigung. Jannes Schweigen hat bald ungeahnte Auswirkungen auf ihr Leben.

Alles ist gut ist das Regiedebüt der Berlinerin Eva Trobisch, die den Film im Sommer 2017 in nur einem Monat in München und in einigen Gemeinden im Umkreis der bayerischen Metropole drehte. Trobisch erhielt für ihr Drama unter anderem den Preis für den besten Debütfilm beim diesjährigen Filmfest in Locarno.

Die grosse Stärke dieses sensiblen Films ist die Nähe, die er zu seinen Figuren schafft. Und dies durchaus im wortwörtlichen Sinne, denn Trobisch folgt ihren Charakteren auf Schritt und Tritt. Die Handkamera ist vor allem immer ganz dicht bei Janne, umkreist und beobachtet sie aus unterschiedlichen Perspektiven und begleitet sie so durch ihren Alltag. Dieses Dokumentarische und Beiläufige manifestiert sich ebenso im Spiel der Darsteller.

Denn die Handlungen und Entscheidungen der Figuren erscheinen jederzeit spontan und situativ. Oft ist nicht klar, ob es Regieanweisungen gab oder die Schauspieler improvisierten. Ihre Verhaltensweisen (und viele ihrer Sorgen) sind so dem wahren Leben nachempfunden. Denn für dieses existiert bekanntlich auch kein Drehbuch. Stattdessen hängt das individuelle Glück oft von schicksalhaften Begegnungen und Zufällen ab. Für Janne ändert eine solche verhängnisvolle Begegnung alles. Beachtlich ist, wie Aenne Schwarz dank ihrer mimischen Ausdruckskraft Jannes Leid für den Zuschauer auf nuancierte und subtile Weise sichtbar macht.

Leider tappt Trobisch ein ums andere Mal in die Klischeefalle und bedient sich einiger konventioneller Twists und absehbarer Storyelemente, wie sie in Filmen über sexuelle Gewalt allzu oft vorkommen. Völlig unnötig ist das Ende. Wie Trobisch die Aufmerksamkeit am Schluss unerwartet auf das scheinbare, aber übersehene Leid des Täters lenkt, ist ärgerlich. Zumal es in krassem Widerspruch zu Martins Verhalten nach der Vergewaltigung steht, als er viel zu lange völlig ungerührt und wenig empathisch auf Jannes seelischen Schmerz reagierte.

05.06.2019

3.5

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Kommentare

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anabah

vor 3 Jahren

Der Film hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Zuerst plätschert er ein wenig vor sich hin, nimmt dann immer mehr an Fahrt auf. Gewisse Wendungen konnte ich nicht richtig nachvollziehen. Die Hauptdarstellerin erscheint immer sehr authentisch und echt, wow, beeindruckendes Schauspiel. Ich konnte den Schmerz / die Gefühle oft nachempfinden. Andere Figuren sind mir wiederum sehr unsympathisch erschienen. Der Schluss enttäuscht leider - wie geht es weiter, fragt man sich. Leider ist die Vertonung sehr misslungen. Einige Darsteller sprechen sehr undeutlich oder gar unverständlich - schade.Mehr anzeigen


nick74

vor 5 Jahren

Sehr eindrücklich, tolle Hauptdarstellerin, mit dem Ende in der U Bahn kann ich nichts anfangen, trotzdem alle Sterne.


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