CH.FILM

Zwischen Kalkül und Zufall Schweiz 2017 – 90min.

Filmkritik

Wenn Kunst für sich sprechen soll

Noëlle Tschudi
Filmkritik: Noëlle Tschudi

Das unkommentierte Schaffen eines Künstlers, eines Musikers und eines Filmemachers zu einem Kunstwerk auf Grossleinwand verschmolzen: Das ist «Zwischen Kalkül und Zufall».

Beat Zoderer ist Kunstschaffender, der aus Gewöhnlichem Aussergewöhnliches zu schaffen sucht und durch seine Werke dazu auffordert, der herkömmlichen Sicht auf Dinge zu misstrauen. Komponist, Produzent und Pianist Nik Bärtsch, seinerseits Gründer des Labels Ronin Rhythm Records und Mitbegründer des Musikclubs EXIL, erschafft Klangwelten, die vornehmlich durch rhythmische Überlagerungen zum Leben erweckt werden.

Die Kunst der beiden Zürcher ist das Herzstück des 90-minütigen Dokumentarfilms, der auf gesprochene Sprache verzichtet. Stattdessen wird dem Publikum eine über einstündige Piano Improvisation von Nik Bärtsch geboten, auf welcher der Film aufbaut. Die Gedankenwelt Beat Zoderers wird derweil anhand eingeblendeter Tagebuchnotizen des Künstlers dargelegt. Zwischen Kalkül und Zufall bringt dreierlei Ebenen in den Dokumentarfilm ein: Die Echtzeit-Ebene des improvisierten Konzerts wird überlagert von der künstlerischen Entwicklung Zoderers während sechs Jahren – wobei eine subtil eingesetzte high-speed Lochkamera eine dritte zeitliche Ebene liefert. Gezeigt werden dabei abwechselnd Bilder der beiden Künstler in ihrem Schaffensprozess, im Atelier oder an einer Ausstellung – tonlose Interviewpassagen, in denen der Zuschauer dazu aufgefordert wird, ebendiese crossmedial auf www.zoderer.ch als Audioblog anzuhören. Aufnahmen von Fliessgewässern, Überlagerungen in Musik und bildnerischem Schaffen, Synästhesien: So definiert sich Zwischen Kalkül und Zufall.

Neun Jahre dauerte der Entstehungsprozess des Films, während dem Egli und sein Team Zoderer privat und beruflich mit der Kamera begleitet und dabei über 70 Stunden Rohmaterial auf Film gebannt haben, 65 Minuten am Stück improvisierte Nik Bärtsch für die Vertonung des Films – ohne seinen Vortrag auch nur ein einziges Mal zu pausieren, und ein bemerkenswertes Crescendo wird auf bildlicher Ebene während der Dauer von 14 Minuten mit sage und schreibe 2438 Bildschnitten unterstützt. Das alles sind beeindruckende Zahlen – leider geht der positive erste Eindruck des Films nicht nur wegen seiner Repetitivität, sondern vor allem auch seiner Länge schnell verloren.

Kommentarlose Kunstinstallationen, die mit schnellem Schnitt und musikalischer Untermalung auf Film gebannt werden, sind kein Novum, ein Film dieser Art und 90-minütiger Länge hingegen ist alles andere als alltäglich. Der Verzicht der gesprochenen Sprache erscheint zugleich als eine der grössten Stärken, aber auch Schwächen der Dokumentation: Während der Film zwar viel Raum für ein individuelles Zuschauererlebnis lässt, wird die Absenz jegliches Kommentars selbst den ein oder anderen Kunstliebhaber betrüben. Wer gerne noch während des Filmerlebnisses mehr über die Verbindung zwischen Bärtschs Improvisation und Zoderers Wirken erfahren würde, muss wohl eine Enttäuschung hinnehmen. Eine gute Nachricht gibt es für Interessierte aber dennoch: Sämtliche Vorführungen werden in Anwesenheit von Jürg Egli stattfinden, der Zuschauern Red und Antwort zu seinem neuesten Werk steht.

15.10.2018

3

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