Taste of Cement Deutschland, Libanon, Katar, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate 2017 – 85min.

Filmkritik

Die Sklaven des Nahen Ostens

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Taste of Cement ist das eindringliche Porträt von syrischen Bauarbeitern im Exil, das seine Stimmungen und die beklemmende Atmosphäre vor allem über die Tonspur vermittelt.

Während die Hauptstadt des Libanons, Beirut, auch dank der syrischen Exil-Bauarbeiter in neuem Glanz erstrahlt, quält die Syrer die Erinnerung ans eigene, zerstörte Heimatland. Das Perfide: Nachts werden sie in dem Rohbau, auf dem sie arbeiten, eingeschlossen. Denn: Flüchtlinge dürfen nach 19.00 Uhr nicht mehr raus. In der Enge und Einsamkeit des Rohbaus versammeln sie sich jeden Abend, um Nachrichten aus Syrien zu bekommen.

Regisseur Ziad Kalthoum floh einst selbst vom syrischen Bürgerkrieg nach Beirut und kennt daher die Situation und Ängste der syrischen Bauarbeiter bestens. Kalthoum studierte einst „Film“ im russischen Wolgograd und lebt mittlerweile als anerkannter Flüchtling in Berlin. Taste of Cement ist seine dritte Dokumentation.

Taste of Cement ist ein erschütternder, nachdenklich stimmender Film, in dessen Mittelpunkt die Sklaven unserer Zeit stehen. So bezeichnete Kalthoum die Arbeiter: „Moderne Sklaven, die die Baustelle nicht verlassen dürfen“. Es ist ein zermürbendes Leben, und der Alltag ist hart. Sowohl auf dem Hochhaus, aber auch im Inneren der Baustelle, in der die Syrer leben: Erst 12 Stunden schuften auf der Baustelle, danach 12 Stunden im spärlich beleuchteten Rohbau irgendwie versuchen, die Zeit totzuschlagen. Tag für Tag.

Dies alles macht Taste of Cement spürbar, vor allem weil Kalthoum mit seiner Kamera immer ganz dicht bei seinen Protagonisten ist: Auf der Baustelle, beim Schlafengehen, während der Rasur und beim stummen Grübeln auf dem Bett. Gesprochen wird im Film ohnehin nicht viel, lediglich einer der Männer fungiert als Erzähler, der leise und gebrochen von der Sehnsucht nach der Heimat oder der Angst um Familienangehörige berichtet.

Statt verbaler Kommunikation nutzt der Film Geräusche, Töne und Klänge. Diese setzt Kalthoum meisterhaft ein, um Informationen zu vermitteln, Stimmung zu erzeugen und um Gegensätze darzustellen. Das gelingt zum Beispiel, indem er dem Baustellenlärm (das Bohren ins Mauerwerk, der schrille Klang der Kreissäge, das Hämmern auf Stahl) eine Art akustische Parallelwelt entgegengesetzt: Nämlich die laute, markerschütternde „Akustik des Kriegs“, die von Zerstörung und Tod kündet. Darunter rollende Panzer, einschlagende Granaten, in sich zusammenfallende Häuser.

Wo einst der Sound des Krieges vorherrschte, ist es heute also der Sound der Baustelle, der durch die Straßen hallt. Es wird gebaut, die Stadt wächst und die Lebensqualität kehrt zurück. Nur nicht für die syrischen Bauarbeiter, die die Stadt immer nur von ihrem Wolkenkratzer aus sehen können. Ein Gefängnis mit Traum-Aussicht.

26.03.2024

5

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