Matar a Jesús Kolumbien 2017 – 99min.

Filmkritik

Vaters fatales Vermächtnis

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Die Kolumbianerin Laura Mora Ortega arbeitet in Matar a Jesús ein Erlebnis aus ihrer Jugend auf. Ihr Film zeigt beeindruckend, welch tiefgreifende Verunsicherung eine Gewalttat auf den Umgang der davon Betroffenen mit ihren Gefühlen und Ideologien hat.

Paula – oder eben Lita, wie sie ihre Freunde nennen – erlebt, was man keinem Menschen wünscht: Im Oktober – es muss 2003 sein – beobachtet sie auf dem Heimweg von der Hochschule, wie ihr Vater von einem vorbeifahrenden Motorrad aus erschossen wird. In einem Auto sitzend schaut sie dem Mörder, ohne dass er es merkt, direkt ins Gesicht. Für Lita ist das Ereignis traumatisch. Für die mit dem Fall betrauten Polizisten allerdings ist es Routine. Lita, raten sie als erstes, soll mit ihrer Familie umziehen. Und als sie nach Wochen noch immer im Dunkeln tappen, meinen sie ungerührt, dass in Medellín täglich mehrere Morde geschehen und dieser Fall keine Priorität habe.

Einige Wochen später entdeckt Lita im Ausgang einen Mann, der dem Mörder in ihrer Erinnerung frappierend ähnelt. Sie bandelt mit ihm an und landet alsbald, wo sie, aus gutbürgerlichem Hause stammend, noch nie war: im Armenviertel auf der anderen Seite der Stadt. Sie sei das seltsamste Mädchen, das ihm je begegnet sei, sagt Jesús, als sie sich ein bisschen besser kennen. Er nimmt Lita mit auf dem Motorrad, zeigt ihr seine Lieblingsplätze, bringt ihr die Handhabung einer Pistole bei und erklärt dabei, dass es Hass brauche für's Abdrücken. Und dann kommt der Augenblick, in dem Lita, wie sie es sich geschworen hat, ihren Vater rächen könnte…

Laura Mora Ortega hat Matar a Jesús ihrem Vater gewidmet, der wie der Vater im Film auf offener Strasse ermordet wurde. Sie lässt ihre Protagonistin die Gefühle durchleben, die sie damals hegte, lässt auf Leinwand aber auch das von ihr damals Geträumte und Phantasierte – wie die Begegnung mit dem Mörder – Realität werden. Sie bedient sich dabei einer realistischen Darstellungsweise. Lässt an Originalschauplätzen arbeitend das sich heute im Aufschwung befindende Medellín retrospektiv nochmals als nachts neongrell vibrierenden Moloch erscheinen, dessen Alltag von der Drogenkriminalität so bestimmt wird wie von einem bigotten Katholizismus. Sie nimmt dabei konsequent die Sicht ihrer Protagonistin ein. Und obwohl Natasha Jaramillo, die Lita spielt, genauso wie Giovanny Rodriguez, der Jesús darstellt, sichtlich keine ausgebildeten Schauspieler sind, vermögen sie durch authentisches Spiel zu überzeugen. Ein phasenweise bedrückendes, vor allem aber nachhaltig beeindruckendes Psychodrama.



20.02.2024

4

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