Hostiles - Feinde USA 2017 – 135min.

Filmkritik

Unser tägliches Grab gib uns heute

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Als die Witwe des im Jahr 1999 verstorbenen Autors Donald E. Stewart umzog, fiel ihr ein Skript in die Hand, das dieser nie einem Studio angeboten hatte. Sie las es und fand, dass Scott Cooper der richtige Mann war, um diesen entromantisierenden Western zu inszenieren. Der fühlte sich von der Geschichte angesprochen, bearbeitete das Skript und holte seinen Out of the Furnace-Hauptdarsteller Christian Bale ins Boot. Herausgekommen ist ein düsterer, schwermütiger, schmerzhafter, aber guter Film.

1892: Ein Captain (Christian Bale) erhält den Auftrag, mit einem kleinen Trupp den alten und todkranken Cheyenne-Häuptling Gelber Falke zurück nach Hause nach Montana zu bringen. Früher hat der Captain gegen Gelber Falke gekämpft, weswegen er nun nur unwillig diesen letzten Auftrag seiner Dienstzeit ausführt. Die Reise beginnt, doch sie ist nicht ungefährlich, denn der Trupp findet nicht nur eine Frau (Rosamund Pike), deren Familie von Komantschen abgeschlachtet wurde, sondern bekommt es auch mit diesen zu tun.

Hostiles ist von einer enormen Melancholie getragen. Sie manifestiert sich in Christian Bales Figur, einem Soldaten, der mit seiner stoischen Ausstrahlung verbergen will, dass er innerlich praktisch tot ist. Er ist genauso dysfunktional wie die von Rosamund Pike gespielte Frau, die ein unglaublich erschütterndes Schicksal mit sich trägt. Beide Figuren spenden einander Trost, weil sie auf ähnliche Weise kaputt sind, aber den Lebenswillen noch nicht verloren haben. Bale spielt sehr zurückgenommen, Pike deutlich expressiver. Aber auch das übrige Ensemble mit einigen großartigen Namen in Nebenrollen – Peter Mullan, Scott Wilson, Wes Studi oder Ben Foster sind hier zu nennen – ist erstklassig.

Der Film lebt davon, den Abschied von einem Wilden Westen einzuleiten, den es nur wenige Jahre später nicht mehr gab. Es ist ein letztes Aufbäumen, zugleich aber auch ein Aufräumen mit der romantisierten Form des Westens, wie ihn das Hollywood der 1950er- und 1960er-Jahre gezeigt hat. Dies ist eine Welt, in der das Leben nicht viel wert und das Sterben sehr leicht ist. Entsprechend müssen die Reisenden wieder und wieder Gräber ausheben.

Der Film brilliert aber auch, weil er mehr als nur diese Reise zeigt, indem er auch demonstriert, wie alte Feindschaften zarten Neuanfängen weichen können, wie die Missetaten vergangener Jahre bereut werden und wie am Ende ein Schimmer Hoffnung glimmt – kurz: Dass das Leben mehr bieten kann als Schmerz und Trauer. Keine leichte Unterhaltung, aber ein sehenswerter, großartig inszenierter Film, der langsam erzählt ist, in seiner Action aber explosiv wirkt und am Ende den Anfang spiegelt – weil Gewalt ein Kreislauf ist.



20.02.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor 2 Jahren

Ein seltener Edelstein unter den Neowestern. Hier werden oftmals nur die Auswirkungen von überbordenden Gräueltaten wie Vergewaltigungen gezeigt, neben ergreifenden Emotionen, die so eine noch tiefgehendere Wirkung erzielen. Beide Aspekte werden dann durch niveauvolle Dialoge und ständig steigender Spannung zu einem überraschenden und doch zufriedenstellenden, optionalen Happy End geführt.
Captain Joe Blocker (Christian Bale), war früher einmal nicht gerade ein Freund der Indianer. Jetzt soll er als letzten Auftrag den kranken Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und seine Familie nach Montana begleiten. Unterwegs treffen sie auf Rosalee Quaid (Rosamunde Pike), deren Familie von den Komantschen umgebracht wurde. Kurze Seelenpflege für alle bei Lagerfeuerromantik, bis die Realität wieder gnadenlos zuschlägt. Der Trupp wird von weißen Trappern überfallen, die Frauen vergewaltigt. Und zwar sowohl Rosalee als auch die Frau des Häuptlings Elk Woman (Q’orianka Kilcher). Weiße und Rothäute werden gleichermaßen zu Leitragenden. In Gesprächen unter den Soldaten als auch beim Dinner der Offiziere werden die Vergehen der Weißen an den Indianern von allen rückhaltlos kritisiert. Zwischen Joe und Rosalee entwickelt sich allmählich ein Vertrauensverhältnis, das durch das warmherzige Cameo von Leutnant Ross (Peter Mullen) noch vertieft wird. Auch das Verhalten zwischen Elk Woman und Rosalee, sowie das zwischen Yellow Hawk und Joe bekommt menschliche Züge des gegenseitigen Verstehens. Der Häuptling ‘Danke für deine Güte. Dein Geist ist für immer in meinem Innern.‘ Später erwidert Joe ‘Ein Teil von mir stirbt mit dir.‘
Rosamunde Pike beweist hier wieder einmal ihre schauspielerische Wandlungsfähigkeit: nach der Welt der Jane Austen, in die Welt der griechischen Mythologie, wo sie ganz handfest und brachial gegen den Zorn der Titanen kämpft und jetzt im Wilden Westen.
Der Plot findet seinen dramaturgischen Höhepunkt, wenn beim Begräbnis von Yellow Hawk ein weißer, rassistischer Großgrundbesitzer Joes Truppe von seinem angeblichen Land zu vertreiben versucht, obwohl Joe ein Schreiben des amerikanischen Präsidenten vorweisen kann. Alle Beteiligten zielen mit Colt und Gewehr auf einander…
Für das Ende hat Newcomer Regisseur Scott Cooper noch ein Schmankerl für Happy End Fetischisten: lange Einstellung von Joe und Rosalee am Bahnhof: fast wortlos, nur Sphärenklänge, Rosalee verdrückt ein Tränchen. Die Zuschauer suchen die Taschentücher…Mehr anzeigen


oscon

vor 5 Jahren

Brutaler realistischer Western rund um die Rückführung eines schwer kranken Häuptlings nach Montana in heilige Gefilde.
Rosamunde Pike und Christian Bale überzeugen als schwer traumatisierte Charaktere in einer weitgehend feindlichen Umgebung.
Der Film punktet aber auch mit den fantastisch besetzten Nebenrollen, den grandiosen Landschaftsaufnahmen und der melancholischen Grundstimmung.
Keine einfache Kost, aber sehr sehenswert !Mehr anzeigen


Barbarum

vor 5 Jahren

An der Kameraarbeit und den Darstellerleistungen dieses Westerns gibt es nichts auszusetzen. Aber ich fand den Film überlang und die sich ständig wiederholenden Reden zwischen den gelegentlichen Schauern von Gewalt ermüdend, da die Botschaft derart naheliegend ist.

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


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