God's Own Country Grossbritannien 2017 – 104min.

Filmkritik

Ein simpler Film über komplexe Gefühle

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Der auf verschiedenen Festivals mit Preisen ausgezeichnete God’s Own Country ist das Regiedebüt des jungen Francis Lee, der in der eigenen Heimat in Yorkshire, das von den Einwohnern als Gottes eigenes Land bezeichnet wird, gedreht und mit seiner Geschichte auch ein paar eigene Erlebnisse verarbeitet hat.

Der 24-jährige Johnny lebt und arbeitet auf der Schafsfarm seiner Familie. Mit seinem Vater versteht er sich nicht gut, mit seiner Großmutter spricht er nicht viel. Seinen Frust betäubt er fast täglich im Pub und hin und wieder mit unverbindlichem Sex mit anderen Männern. Der rumänische Saisonarbeiter Gheorge auf der Farm zu arbeiten beginnt, ändert sich jedoch alles. Erst ist Johnny mürrisch und misstrauisch, bei der harten Arbeit kommen sich die beiden jungen Männer jedoch näher. Zwischen ihnen entflammt etwas, das Johnny so noch nie gespürt hat. Bei Gheorge fühlt er sich geboren. Aber was soll passieren, wenn die Saison endet und Gheorge wieder nach Hause geht?

God’s Own Country ist ein recht simpler Film über sehr komplexe Emotionen. Die Hauptfigur ist zwar schwul, zugleich jedoch auch homophob. Er verabscheut, was er ist, kann aber dennoch nicht ohne den Sex leben. In Johnny gibt es einen gewaltigen Konflikt, der sich erst auflöst, als er mit Gheorge jemanden kennen lernt, den er wirklich lieben kann – und damit auch lernt, sich selbst zu lieben, was bislang verhindert wurde, weil er in einem lieblosen, kalten und harten Haushalt aufwuchs.

Dies ist fast so etwas wie ein Kammerspiel, konzentriert auf die Farm als Handlungsort und mit nur vier Hauptfiguren. Im Kern ist es aber die Geschichte der beiden Hauptfiguren, die authentisch und dabei sehr intim von Josh O’Connor und Alec Secareanu dargestellt werden. Weil ihr Spiel sich nicht über Dialoge, sondern über subtile Mimik erzählt. Man muss genau hinsehen, um God’s Own Country ganz und gar zu genießen. Schön ist dabei, und mit dieser Information verrät man nicht zuviel, dass mit Francis Lees Regiedebüt mal ein LGBT-Film vorliegt, der sich nicht über ein tragisches Ende definiert, sondern auch in seiner Konsequenz sehr schön ist.

God’s Own Country gehört wohl zu den besten britischen Produktionen der letzten Jahre, da der Film sich real anfühlt und damit in der Tradition bodenständiger Dramen der 1960er Jahre, aber auch des Kinos eines Ken Loachs steht. Nur dass außer Ken Loach kaum noch jemand solche Filme dreht. Umso mehr muss man Francis Lee zu seinem in jeder Beziehung herausragenden Debüt gratulieren.

13.11.2017

4

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Kommentare

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rialtobe

vor 4 Jahren

Berührend, ästhetisch schön gestaltet, grossartige Schauspieler und eine Geschichte, die vielfältig erzählt wird. Ein wundervoller Film!


Fred von Bern

vor 6 Jahren

Für mich war das einer der besten Filme der letzten Jahre. Warum? Zuerst muss Johnny mal mit sich selbst ins Reine kommen. Das geht aber nur über eine vorher stattfindende Versöhnung mit seinem Vater. Erst danach kann er sich so akzeptieren, wie er ist und auch die erste emotionale Beziehung in seinem Leben eingehen.Mehr anzeigen


Ortygiano

vor 6 Jahren

Toller, subtiler Film mit hervorragenden Schauspielern. Klasse Kino ohne Effekthascherei. Die Charaktere sind berührend gezeichnet und die Schauspieler setzen es toll um. Für mich einer der besten Filme des Jahres.


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