Candelaria Argentinien, Kolumbien, Kuba, Deutschland, Norwegen 2017 – 88min.

Filmkritik

Dirty Dancing

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Beim Stichwort Kuba denkt man sofort an Castro, Zigarren und Havanna – an Kino und Film denkt man eher weniger. Und wenn, dann fällt einem vor allem Wim Wenders Dokumentarfilm Buena Vista Social Club ein, der mittlerweile schon fast 20 Jahre alt ist. Das man so wenig vom kubanischen Kino mitbekommt, liegt auch daran, dass die eigenständige kubanische Filmproduktion durch die heftige Wirtschaftskrise in den 1990er-Jahren fast komplett zurückgefahren wurde. Erst in den letzten Jahren hat sie sich wieder berappelt und insofern ist es höchst erfreulich, wenn Filme aus Kuba das Licht der hiesigen Leinwände erblicken.

Candelaria entführt den Zuschauer in das Kuba im Jahr 1994. Die politische Situation im Land spitzt sich immer mehr zu, die Verschärfung des Wirtschaftsembargos durch die USA und der Zusammenbruch der Sowjetunion macht sich bei der Bevölkerung immer stärker bemerkbar. Auch die 75-jährige Candelaria und ihr Mann Víctor Hugo müssen schauen, wie sie sich durchbeissen. Candelaria arbeitet als Wäscherin in einem Hotel, wo sie eines Tages in der Schmutzwäsche eine Videokamera findet. Spontan nimmt sie diese mit nach Hause, wo jedoch beide nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Aber nach und nach fangen sie an, vor der Kamera herumzualbern, sie beginnen sich zu öffnen, sie geniessen es, plötzlich zu tanzen, sich zu küssen, sich zu lieben. Eines Tages verschwindet die Kamera jedoch, und bevor die Aufnahmen in fremde Hände geraten, macht sich Victor Hugo auf die Suche, die ihn direkt in die halbseidene Welt Havannas führt. Und um die Kamera zurückzubekommen, lässt er sich auf einen zweifelhaften Deal ein...

Der kolumbianische Regisseur Jhonny Hendrix Hinestroza erzählt in Candelaria eine tragisch-rührende Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der schweren Wirtschaftskrise Kubas. Dies tut er höchst eigenwillig, immer wieder lässt er die Geschichte unerwartete Wendungen nehmen und verzichtet dabei auf kitschigen Pathos. Er beobachtet vor allem den schwierigen Lebensalltag zu dieser Zeit, ohne jedoch die wirtschaftlichen Widrigkeiten zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Und in diese Routine wirft er die Videokamera, die selbst zu einer Protagonistin wird und wie ein Jungbrunnen auf das alte Paar wirkt. Der Blick durch das Objektiv bringt die beiden wieder zusammen, auch körperlich, sie beginnen sich zu öffnen, verlieren ihre Angst und geniessen das lustvolle Miteinander. Hinestroza gelingt es, den gesellschaftlichen Verzicht und den privaten Genuss in eine poetische Balance zu bringen und sein eigenwilliger Humor verhindert, dass sich die Liebe der Alten in Sentimentalitäten verliert. Und auch wenn er gen Ende des Films die Tragikschraube ein kleines biyychen zu weit dreht, ist Candelaria ein ebenso kluger wie emotionaler Film, der zeigt, dass der Begriff von Romantik auch anders gedacht werden kann.

20.02.2024

4

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