CH.FILM

Blue My Mind Schweiz 2017 – 97min.

Filmkritik

Coming-Of-Age-Drama trifft Horrormärchen

Leslie Leuenberger
Filmkritik: Leslie Leuenberger

Mia ist 15, unsicher, wütend, verloren. Kürzlich erst umgezogen, sucht sie bei den „It-Girls“ der Klasse verzweifelt den Anschluss. Besonders fasziniert ist sie von der schönen und selbstbewussten Gianna, die mit ihren Sex- und Partygeschichten viel Abenteuer verspricht. Die Entfremdung von den Eltern, Gruppendruck, Sexualität – es sind die Themen eines jeden Coming-Of-Age-Films. Doch Filmemacherin Lisa Brühlmann geht in Blue My Mind einen Schritt weiter.

Mia wandelt sich nicht nur zur Frau. Ihre Zähen wachsen zusammen, ihre Haut wird schuppig und blau, sie entwickelt spezielle Gelüste. Zügellos und wie aus einem animalischen Instinkt heraus, verschlingt sie einen Aquarium-Fisch – zum eigenen Schock und zum Schock des Zuschauers. Schnell ist klar: Mia wird zur Meerjungfrau. Wer nun an Disneys Arielle denkt, macht sich falsche Hoffnungen. Die Wandlung Mias ist monströs und düster, angsteinflössend. Aus Verzweiflung betäubt sich die 15-jährige mit Alkohol und Drogen.

Blue My Mind ist Lisa Brühlmanns Erstlingswerk. Am diesjährigen Zürich Filmfestival gewann sie das Goldene Auge, den Kritikerpreis und den Filmpreis der Zürcher Kirchen. Was Blue My Mind spannend macht ist, dass Brühlmann die Geschichte mit gruselig-fantastischen Elementen angereichert hat anstatt ein einfaches Teenager-Drama à la Mean Girls auf die Leinwand zu bringen. Die radikale Idee sowie die wunderschönen Bildwelten sind die Stärke des Films und sicher Grund für den Erfolg.

Schade nur, dass die Regisseurin sich trotz aller Kreativität in Klischees verliert. Die Figuren sind wenig durchdacht, die Handlungen deshalb schwer nachvollziehbar. Insbesondere die Eltern-Tochter-Beziehung wirkt flach und lässt Fragen offen: Würden Eltern ihre sichtbar labile 15-jährige Tochter ganz ohne Bedenken ein Wochenende alleine zu Hause lassen? Obwohl der Plot überraschende Wendungen nimmt, der Mittelteil des Films hätte einen konsequenteren Schnitt verlangt. Auf was Mias Verwandlung hinläuft wird relativ schnell klar, weshalb die wiederholenden Hinweise den Film unnötig in die Länge ziehen.

Während die erwachsenen Darsteller in gewohnt übertheatralischer Schweizer Manier den Zuschauer zum beschämten Augen-Verdrehen zwingen, überzeugen die Jungschauspieler – trotz mehrheitlich platter Dialoge – umso mehr. Was man Brühlmann lassen muss, mit Luna Wedler als Mia hat sie ins Schwarze getroffen. Hut ab vor der 17-jährigen Zürcherin, die die Rolle der verstörten und aggressiven Mia hervorragend verkörpert. Wegen ihr und der starken Impressionen allein lohnt es sich, für Blue My Mind ins Kino zu gehen.

31.10.2017

3

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Kommentare

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dulik

vor 4 Jahren

Ein sehr gelungener Coming of Age Film aus der Schweiz, der das Älterwerden mit einem Hauch Fantasy erzählt, indem er die inneren Veränderungen visualisiert. "Blue my Mind" ist vom Anfang bis zum Schluss sehr ergreifend. Dies liegt nicht nur an der einzigartigen Geschichte, sondern auch an den starken Darstellerinnen.
7.5/10Mehr anzeigen


solaromir

vor 6 Jahren

Kompromisslos, aber bis in die subtilen Feinheiten stimmiger Film mit grossartigem Soundtrack und super SchauspielerInnen. Bester Coming of Age Film, den ich je gesehen habe.
Mit Fantasy hat der Film übrigens in meinen Augen nichts zu tun, eher mit sichtbar machen des Unsichtbaren.


laperra

vor 6 Jahren

Ok!


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