Paths of the Soul China 2015 – 115min.

Filmkritik

Einmal im Leben nach Lhasa

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Zhang Yang begleitet in seinem spektakulären Doku-Drama elf tibetische Pilger auf ihrem 1900 Kilometer langen Weg in die Heilige Stadt Lhasa.

Die Reise zum Potala-Palast in Lhasa und zum Heiligen Berg Kailash ist für Tibeter der Höhepunkt ihres Lebens. Doch lange nicht alle haben je die Gelegenheit, diese Reise zu unternehmen. So befürchtet auch Nyimas Onkel, der sich nach dem frühen Tod seines Bruders um Nyima kümmerte, zu sterben, ohne die Heiligen Stätten je zu sehen. Das aber will Nyjma verhindern. Er trommelt Nachbarn und Verwandte zusammen, schliesslich nehmen im kleinen tibetischen Dorf, in dem die beiden leben, elf Menschen – untere ihnen eine Schwangere und ein kleines Mädchen – gemeinsam den langen Weg nach Lhasa unter die Füsse. Ihre Reise ist anstrengend. Nicht nur weil sie bei Wind und Wetter über 1900 Kilometer durch zum Teil wilde Landschaften führt, sondern weil sich die Pilger, wie es Tradition und Glaube fordern, alle sieben oder acht Schritte huldigend auf den Boden werfen um in diesem Kotau genannten Ritual Busse zu tun, sich von ihrem irdischen Ballast zu befreien und dabei zum wahren Glaube zu finden.

Zhang Yang – man verdankt ihm bisher eine Reihe so beschwingter, wie auch feinfühliger Spielfilme wie Full Circle, Getting Home und Sunflower – hat Paths of the Soul im Laufe von über einem Jahr mit Laien ohne Drehbuch gedreht. Auch wenn einzelne Darsteller Rollen spielen – etwa einen Metzger, der sich auf dieser Reise vom Blut der Tiere, die er umbrachte, befreien will, – überzeugt sein Dokudrama durch grosse Authentizität: Das erschöpfende Pilgern ist nicht gespielt, sondern – obwohl das Kamerateam so fühlbar wie selten in einem Film immer anwesend ist – sichtlich erlebt und erlitten. Auch haben die Protagonisten immer wieder mit Pannen, Unfällen, dem Unbill von Wetter und Natur zu kämpfen: von Bergen stürzenden Steinen, unerwartet aufziehenden Stürmen, ganz zu schweigen von der gleissenden Sonne im Sommer und plötzlich fallendem Schnee im Herbst. Doch sie erleben auch Beglückendes, nicht nur beim abendlichen Beisammensitzen im Zelt, wo gemeinsam gebetet und gesungen wird, sondern auch in den Begegnungen mit anderen Pilgern und unterwegs geschlossenen Bekanntschaften.

Yang verfolgt das Geschehen meist nah dran an seinen Protagonisten und scheut sich dabei nicht zu zeigen, wie sich in deren Leben Tradition und Moderne unmittelbar durchdringen: So wird die Schwangere zur Geburt ins nächste Spital geführt und das kleine Mädchen darf am Abend ab und zu mit dem Handy nach Hause telefonieren. Ab und zu lässt Yang seine Protagonisten allerdings ziehen. Dann eröffnet sich im weiten Winkel der Kamera der Blick auf die spektakulären Landschaften des tibetischen Hochlandes. In diesen kontemplativen Momenten wird Paths of the Soul dem Zuschauer zur Einladung, über die eigene Spiritualität nachzudenken.

26.03.2024

4

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