Freeheld USA 2015 – 103min.

Filmkritik

Dokument einer gewonnenen Schlacht

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Mitunter holt die Realität das Kino ein, und gelegentlich ist das auch gut so. Freeheld, der auf dem gleichnamigen, Oscar-prämierten Dokumentarkurzfilm basierende Spielfilm über ein lesbisches Paar, das 2005 in New Jersey für seine Rechte kämpfte, ist beispielsweise über fünf Jahre in Planung gewesen. Zu einem Zeitpunkt, an dem sich das amerikanische Mainstream-Kino kaum für LGBT-Geschichten interessierte und selbst in Kalifornien derlei Gesetzesinitiativen wieder gekippt wurden. Doch als der Film dann im vergangenen Jahr schließlich seine Premiere beim Festival in Toronto feierte, hatte sich dank der wegweisenden Entscheidung des Supreme Court die Lage für Schwule und Lesben in den USA bereits grundlegend geändert.

Statt kämpferischer Beitrag zur gesellschaftlichen Veränderung ist Freeheld jetzt bloß noch das quasi-historische Dokument einer gewonnenen Schlacht. Womöglich liegt es allerdings auch an Julianne Moores adretter Fönfrisur, dass der Film ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt. So oder so gehört das Haar hier durchaus zur Fassade, die sich die von der Oscar-Gewinnerin gespielten Polizistin Laurel Hester zugelegt hat. Darauf, dass ihr Umfeld von ihrer Homosexualität erfährt, legt sie keinen Wert; statt Privatleben steht praktisch nur der Job auf dem Programm. Bis ihr Stacie (Ellen Page) begegnet: jünger, burschikoser und vor allem sehr viel selbstbewusster im Umgang mit dem eigenen Lesbischsein.

Die beiden Frauen gehen eine eingetragene Partnerschaft ein, kaufen ein Haus, es ist die große Liebe. Als Laurel unheilbar an Krebs erkrankt, will sie ihre Rentenansprüche zur finanziellen Absicherung an die Lebensgefährtin übertragen. Doch obwohl im Bundesstaat prinzipiell erlaubt, weigern sich die Freeholder genannten örtlichen Gemeindevertreter, dem gleichgeschlechtlichen Paar die gleichen Rechte zuzusprechen wie einer Hetero-Beziehung.

Die Geschichte, die Freeheld erzählt, ist nicht nur wahr, sondern auch berührend, und auch wenn wir heute gesellschaftlich schon weiter sind, ist es doch gar nicht verkehrt, mal wieder daran erinnert zu werden, wie kurz es erst her ist, dass Homosexuelle auch von offizieller Seite noch diskriminiert wurden (und es nicht zuletzt in der Schweiz und Deutschland, wo es keine Ehe für alle gibt, noch immer werden). Die guten Absichten des Films sind entsprechend in jeder Szene zu spüren. Doch wie so oft reicht das allein nicht aus.

Was das größere Übel ist, lässt sich dabei gar nicht eindeutig benennen. Das Drehbuch des Oscar-nominierten Autors Ron Nyswaner (Philadelphia) mit seinen papierdünnen Figuren? Oder doch die uninspirierte und unelegante Inszenierung von Peter Sollett (Nick and Norah's Infinite Playlist), die an ein plumpes Fernsehfilmchen gemahnt? So oder so ertrinkt Freeheld leider in kitschiger Musik von Hans Zimmer und Johnny Marr und wird weder der realen Vorlage noch dem hochkarätigen Ensemble (zu dem auch ein überzeugender Michael Shannon und ein deplatzierter Steve Carell gehören) oder auch nur den eigenen Ansprüchen gerecht.

14.04.2024

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Kommentare

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Patrick

vor 8 Jahren

Freeheld ist ein grandios von den Darstellern: Ellen Page, Julianne Moore, Steve Carell und Michael Shannon gespieltes Drama mit viel Anspruch. Vor ein paar Jahren gab es eine gleichnamige Doku die prompt einen Oscar bekam.


Ferro99

vor 8 Jahren

Trotz starker Julianne Moore war mir die Konstellation mit Filmpartnerin Ellen Page nicht wirklich glaubwürdig besetzt. Die Geschichte ist beeindruckend, aber trotzdem berührte mich der Film nicht wirklich. Das Ziel wurde verfehlt, leider. Und als Steve Carell plötzlich als homosexueller mit einer Kippa auftrat, musste ich zuerst mal laut aufprusten. Der Film nahm eine schwierige Wendung ein. Beklemmend, peinlich, schwierig.Mehr anzeigen


formel1

vor 8 Jahren

Ein feinfühliger Film


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