Die Blumen von gestern Österreich, Frankreich, Deutschland 2016 – 125min.

Filmkritik

Die Tücken der Vergangenheit

Stefan Staub
Filmkritik: Stefan Staub

Eine derb-satirische Farce über den Umgang Deutschlands mit dem Holocaust – kann so etwas gut gehen? Der mit Lars Eidinger, Adèle Haenel, Jan Josef Liefers und Hanna Herzsprung, prominent besetzte Cast verspricht zumindest schauspielerische Qualität. Das kluge Drehbuch von Chris Kraus regt dazu an, die eigene Position zur deutschen Geschichtsaufarbeitung zu hinterfragen. Doch der Balanceakt zwischen komödiantischer Überzeichnung und ernsthafter Auseinandersetzung gelingt nur teilweise.

Der notorisch schlecht gelaunte Holocaust-Forscher mit dem seltsamen Namen Totila Blumen (Lars Eidinger) steckt mitten in den Vorbereitungen zu einem Auschwitz-Kongress, als er erfährt, dass Strahlemann Balthasar «Balti» (Jan Josef Liefers) die Leitung des Kongresses übertragen wurde. Dies bringt ihn derart aus der Fassung, dass er seinem neuen Vorgesetzten gleich mal den Kiefer bricht, derweil sein jüdischer Mentor im Hintergrund das Zeitliche segnet. Als Strafe wird Totila die vorlaute französische Studentin Zazie (Adèle Haenel) vor die Nase gesetzt, die er anfangs ganz genregerecht so gar nicht ausstehen kann, bis sie ihm offenbart, dass sie eine über zwei Generationen zurückreichende Vergangenheit verbindet.

Chris Kraus versucht sich nach seinen beiden Dramas Vier Minuten (2006) und Poll (2010) nun am Genre der Tragikomödie. Er wechselt dabei einigermassen elegant zwischen subtiler Gesellschaftssatire, überdrehter Farce und melodramatischem Erlösungskitsch. Erfrischend daran ist, dass Kraus die Thematik der Vergangenheitsbewältigung, bei der im deutschen Kino so oft ein schulmeisterlich mahnender Ton mitschwingt ganz unverkrampft angeht und sich dabei auch mal einen Kalauer auf den Holocaust erlaubt. So gelingt es ihm, den Zuschauer auch mit dessen eigener Haltung zu diesem Thema zu konfrontieren.

Doch mitunter schiesst der Film über das Ziel hinaus: Als eine Begegnung in der Herrentoilette mit zwei national gesinnten Biker-Typen zu einer Prügelei im Stile eines Kung-Fu-Films ausartet, kommt dies derart überzeichnet daher, dass man die Figuren in diesem Moment gar nicht mehr wirklich ernst nehmen kann. Ähnlich verhält es sich mit dem hochkarätigen Cast. Schauspielerisch harmonieren Lars Eidinger und Adèle Haenel (La fille inconnue) zwar gut, das Liebespaar nimmt man ihnen aber nicht wirklich ab. Dies wohl auch deshalb, weil Zazie als Figur seltsam unfassbar bleibt und in erster Linie gängige Frankreich-Klischees bedient.

So hinterlässt Die Blumen von Gestern trotz frechem Humor und einer runden Geschichte letztlich einen zwiespältigen Eindruck. Und die Frage nach dem richtigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit bleibt (wohl zwangsläufig) ungelöst.

03.04.2024

3

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