CH.FILM

Tinou Senegal, Schweiz 2016 – 93min.

Filmkritik

Die Magie des Traums

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

In erlesenen, rauschhaften Bildern durchlebt Roger Jendly als schwer kranker Alkoholiker im Traum eine Reise nach Afrika. Die Tragikomödie Tinou von Res Balzli ist ein magischer, melancholischer Film, der surreale Züge aufweist.

Der Berner Tinou (Roger Jendly) leidet an schwerer Leberzirrhose. Er muss sehr auf seinen Lebensstil achten, was dem Genießer nicht gerade leicht fällt. Auch sein bester Freund Aschi (Gilles Tschudi) leidet. Er kommt mit dem Altern nicht klar, ist ebenfalls dem Alkohol verfallen und schwelgt in Erinnerungen an die gute, alte Zeit, als eine Liebschaft die nächste jagte. Die Vergangenheit holt ihn eines Tages aber aus ganz anderen Gründen ein: per Internet meldet sich sein Sohn aus Südafrika, der ihn zu sich einlädt. Aschi will die Reise zusammen mit Tinou antreten, doch dieser muss sich zunächst einer lebenswichtigen OP unterziehen. Im Krankenhaus verfällt der alte Mann in einen Traum, der die Reise nach Afrika vorwegnimmt.

Tinou ist das Spielfilmdebüt des Berners Res Balzli. Vor einigen Jahren realisierte er die Doku Bouton über eine schwer kranke, junge Schauspielerin. Dies war sein erster Ausflug ins Regie-Fach, zuvor war er jahrzehntelang als Produzent tätig. Vor Drehbeginn wurde Balzli von gleich mehreren Schicksalsschlägen erschüttert: im Frühjahr 2014 starben innerhalb weniger Monate der Co-Drehbuchautor des Films, der vorgesehene Kameramann sowie Peter Lichti, ein befreundeter Regisseur.

Zwei verschmitzte, kauzige Charaktere stehen im Zentrum der poetisch-melancholischen Träumer-Ballade Tinou. Da ist der bärbeißige, immer ein wenig grantige Tinou, der schwer krank ist und eigentlich streng abstinent leben sollte, aber auf sein Bier im Lieblingslokal oder in der Wohnwagen-Buvette um die Ecke nicht verzichten will. Sogar auf der Trage ins Krankenhaus überkommt den notorisch Launischen noch ein Wutanfall, wenn er – gewohnt mürrisch – "Scheiß der Hund drauf" murmelt. Roger Jendly ist großartig in der Rolle des unter seiner Krankheit leidenden Grantlers, ebenso wie Gilles Tschudi als alternder Schwerenöter und ewiger Nostalgiker Aschi, der der Vergangenheit nachtrauert.

Gekonnt mischt Regisseur Balzli kunstvolle, edle Schwarz-Weiß-Bilder des winterlichen Bern mit Farbaufnahmen, die er in jenen Momenten einsetzt, in denen für die alten Herren alles möglich scheint und die Probleme der Gegenwart vergessen sind: in den Träumen. In jenen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und so kann es dort schon mal passieren, dass Tinou plötzlich zum Kapitän des Schiffs nach Afrika wird, auf dessen Deck er kurz zuvor noch im Hawaii-Hemd und zu sanften Pop-Klängen umhertanzte und Pirouetten drehte. Die kunterbunten, exotischen Traumsequenzen bilden das eigentliche, surreale Rückgrat des Films und stellen einen gelungenen Kontrast zur tristen (und in schwarz-weiß gehaltenen) Wirklichkeit dar.

17.02.2024

4

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Kommentare

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Alice47

vor 7 Jahren

Ein berührender und schöner Film. Ein grosses Lob an alle!


gabriella.danso

vor 8 Jahren

Bin sehr gespannt auf diesen Film! Habe kürzlich das Lied "Scharlachrot" von Patent Ochsner im Radio gehört - plötzlich sang der Sänger auf Wolof begleitet mit typischen afrikanischen Instrumenten.... ich traute fast meinen Ohren nicht! Es hat einfach perfekt gepasst.


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