Was bleibt, ist die Erinnerung Argentinien, Chile, Deutschland, Spanien 2015 – 88min.

Filmkritik

Die Tragik des Augenblicks

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Wie verarbeitet man als Paar einen schweren Schicksalsschlag und was macht der Verlust eines geliebten Menschen mit einem? Diesen Aspekten widmet sich Regisseur Matías Bize in seinem nachdrücklichen Drama La memoria del agua.

Javier (Benjamín Vicuña) und Amanda (Elena Anaya) müssen einen einschneidenden Verlust bewältigen: ihr vierjähriger Sohn Pedro kam bei einem Unfall ums Leben. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit verändert nun das gesamte Leben der Beiden. Während Javier gemeinsam mit Amanda durch diese Krise gehen will, erträgt sie es nicht, ihn anzusehen. Jeder Blick in sein Gesicht weckt Erinnerungen an den Jungen und den tragischen Unfall. Somit beginnt nicht nur die Trauerarbeit um über den Verlust hinwegzukommen, sondern auch der Kampf um eine langjährige, leidenschaftliche Liebesbeziehung.

Das Thema der Fragilität zwischenmenschlicher Beziehungen zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk des chilenischen Regisseurs Matías Bize. Bekannt wurde er mit dem vielfach prämierten Kammerspiel-Drama En la cama (2005). Bize gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer jungen Bewegung im chilenischen Kino. La memoria del agua ist sein fünfter Spielfilm, der im letzten Jahr u.a. auf dem Filmfest in Venedig gezeigt wurde.

Die zutiefst melancholische, beklemmende Atmosphäre im Film spiegelt sich in nahezu jeder Einstellung ganz unmittelbar in den Gesichtern der ungemein emotional agierenden Hauptdarsteller. Benjamín Vicuña erlebte vor vier Jahren selbst den Tod seiner ältesten Tochter und vermag sich daher nur zu gut in seine Filmfigur hineinzuversetzen, die nach dem Verlust des Sohnes nicht auch noch ihre Beziehung verlieren will. Das große Dilemma: sie ist nicht mehr in der Lage ihn anzusehen, er hingegen braucht sie dringend, um über den Schmerz hinwegzukommen.

Ebenso wie der tragische Unfall wie ein Gespenst über jeder Szene zu schweben scheint, ist es auch der verstorbene Sohn Pedro selbst, der – ähnlich eines durchsichtigen, zarten Schleiers – viele Szenen umhüllt. Das zeigt sich z.B., wenn Javier mit Gewalt an alten (Lebensmittel-) Gewohnheiten festhält. Und das trotz der Tatsache, dass Bize den Jungen nicht ein einziges Mal im Film zeigt, ja nicht einmal auf einem alten Foto. Großartig aber schmerzhaft intensiv ist jene Szene, in der der Regisseur dem Zuschauer verdeutlicht, was dem Paar zugestoßen ist, wofür er nur ein paar Striche auf einer weißen Wand benötigt. Ähnlich minimalistisch und ohne große Worte geht es im Film beständig zu.

Zudem lädt Bize ihn auf gelungen Art immer wieder mit metaphorischer Symbolik auf. So spielt z.B. Schnee eine wichtige Rolle im Film, etwa, wenn in einer berührenden Szene Javier durch Zufall wieder einmal an den Sohn erinnert wird oder wenn ein plötzlicher Schneeeinbruch dafür sorgt, dass das Paar gemeinsam in Erinnerungen schwelgt.

28.02.2017

4

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Kommentare

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8martin

vor 7 Jahren

Dieser Titel über eine Liebe, die wegen des Todes eines Kindes erloschen ist, macht nicht viel Hoffnung. Und das ist so gewollt. Dabei ist sie gar nicht richtig tot, denn Javier (Benjamin Vicuna) liebt seine Frau Amanda (Elena Anaya) nach wie vor. Nur sie kann sein Gesicht nicht ertragen, weil sie darin immer das ihres Sohnes sieht. Sie verlässt Javier und lebt mit einem alten Jugendfreund zusammen.
Sie macht die ganze Welt für den Tod verantwortlich, was völlig grundlos und aus der Luft gegriffen ist und in Richtung ‘krank‘ geht.
Ein abstruses Konstrukt, das durch ein eheliches Zwischenspiel auch noch unglaubwürdig wird.
Lediglich die Erzählweise und die beiden Hauptdarsteller können die Ratlosigkeit des Publikums wegen des absonderlichen Plots überdecken. Zumal wenn man das Ende bedenkt: er allein, sie allein…Beide haben laut Originaltitel Erinnerungen ans Wasser, weil‘s im Pool passiert war?!
Hier hat Arthouse eine Umdrehung zu viel gemacht. So wirkt sie nur als eine gestörte Frau, die rumzickt und auf der Suche ist… In ihrem Beruf kann sie ja arbeiten. Und dass ein Moment das Leben vieler Betroffener verändern kann, ist auch nicht neu. Und die Preise? Keine Ahnung wofür. K.V.Mehr anzeigen


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