Der Wert des Menschen Frankreich 2015 – 93min.

Filmkritik

Dem Markt ausgeliefert

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der 51jährige Thierry, gelernter Maschinist, ist ein Opfer des Arbeitsmarktes und seit 20 Monaten arbeitslos. Endlich findet er einen Job – als Kaufhausdetektiv. Doch seine Überwachungstätigkeit hat zwei Seiten, er muss auch Kollegen und Kolleginnen bespitzeln. Ein Film vom Franzosen Stéphane Brizé hart an der Wirklichkeit – mit Profischauspieler Vincent Lindon und einem Laienensemble.

Der Mann ist ein Opfer unserer Gesellschaft. Er hat 25 Jahren seinen Buckel hingehalten, seine Arbeitskraft für eine Firma hergegeben. Dann wurde er wegrationalisiert. Arbeitsplätze wurden ausgelagert, und Thierry stand auf der Strasse. 20 Monate lang versuchte er, Boden unter den Füssen zu finden. Er beugt sich den Sozial- und Arbeitsämtern, nimmt an Weiter- und Ausbildungskursen teil. Mit deprimierenden Ergebnissen. Diese Massnahmen gehen an der Realität vorbei. Thierry, Ehemann (Ehefrau gespielt von Karine de Mirbeck) und Vater eines behinderten Sohnes (Matthiue Schaller), hat das Interesse am Arbeitskampf verloren, glaubt nicht mehr an Kollegialität und Solidarität – nach demütigenden Erfahrungen bei Protesten, Widerständen, bei der Arbeitssuche. Als er dann doch einen Job findet, wird er selber zum Handwerkzeug des Marktes. Als Kaufhausdetektiv muss er nicht nur Kunden/Kundinnen überwachen, sondern auch das Kaufhauspersonal. Es gibt Verkäuferinnen, die sich kleine Vorteile verschaffen, etwa Rabattmarken horten. Harmlose «Vergehen», die freilich zu Kündigungen führen. Man will Personal einsparen, also bietet sich so eine Gelegenheit, Leute loszuwerden. Eine verzweifelte Frau begeht infolgedessen Selbstmord. Das ist für Thierry, dem Mann am falschen Platz, zu viel, er kündigt.

Wie bleibt man fair und menschlich in einem unfairen und unmenschlichen System? Das ist eine Kernfrage im Sozialdrama La loi du marché (Das Gesetz des Marktes). Der französische Autor und Regisseur Stéphane Brizé (50) wollte der Statistik über Arbeitslosigkeit ein Gesicht verleihen, eine alltägliche Geschichte erzählen (mit Koautor Oliver Gorce). Thierry hat keine andere Wahl, als den Job anzunehmen, der ihm geboten wird. Dennoch bewahrt er sich die Freiheit, Nein zu sagen, aus dem System auszubrechen – mit unsicherem sozialen Ausgang. Brizé wollte gezielt mit einer kleinen Crew und Laien arbeiten. Vincent Lindon als Thierry ist Profi, andere Darsteller sind Amateure. Der Filmer hoffte so, der Wahrheit und Wirklichkeit näher zu kommen. Es funktionierte. Figuren wie Kassierinnen, Sozialarbeiter und andere werden tatsächlich von Menschen gespielt, die in diesem Beruf tätig sind, berichtet Brizé. Am Ende des Films bleibt die kleine Hoffnung, dass die Moral nicht zum Teufel gegangen ist – zumindest nicht bei Thierry.

06.06.2017

4

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Kommentare

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Fred von Bern

vor 8 Jahren

Hervorragender Film, sofern man sich für solche Themen interessiert. Es geht um nichts Anderes als die Würde des Menschen.


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