The Homesman Frankreich, USA 2014 – 122min.

Filmkritik

Von wegen Frauenwestern

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Es ist kein Geheimnis, dass wenige Filmgenres frauenunfreundlicher sind als der Western. Nicht selten kommen sie in den Geschichten gar nicht erst vor. Und wenn, dann als Salon-Dame, Prostituierte oder bestenfalls besorgte Ehefrau. Insofern ist The Homesman, nach The Three Burials of Melquiades Estrada die zweite Kino-Regie von Tommy Lee Jones, auf jeden Fall ein besonderer Film. Denn er spielt im klassischen Wilden Westen Mitte des 19. Jahrhunderts – und wäre ohne Frauen nicht denkbar.

In Loup City, einer kleinen Farmer-Gemeinde in Nebraska, fallen nach Kindstod, Vergewaltigung oder allgemein dem schwer erträglichen Mühsal des kargen Alltags drei junge Frauen dem Wahnsinn anheim. Selbst der örtliche Geistliche weiß sich nicht anders zu helfen, als die Frauen in eine rund 300 Meilen entfernte Kirche in Iowa abzuschieben. Doch weder er noch die Ehemänner können oder wollen den nicht ungefährlichen Transport übernehmen. So meldet sich die gottesfürchtige und zu ihrem eigenen Unglück unverheiratete Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) freiwillig, den langen Weg mit den drei angeketteten Frauen im Planwagen zurückzulegen. Gleich zu Beginn der Reise rettet sie dem grummeligen Outlaw und Deserteur Briggs (Tommy Lee Jones) das Leben, der sie gegen Geld begleiten und notfalls beschützen soll. Wobei von einer gemeinsamen Wellenlänge kaum die Rede sein kann.

Dass Tommy Lee Jones etwas vom im Kino heutzutage etwas stiefmütterlich behandelten Western versteht, ist keine Frage. Der gebürtige Texaner – im wahren Leben kaum gesprächiger als seine Filmfigur – hat von The Missing bis No Country for Old Men schon in verschiedensten Spielarten des Genres mitgewirkt. In seiner ersten, fürs Fernsehen entstandenen Regiearbeit The Good Old Boys verkörperte er einen Cowboy, und auch Three Burials entpuppte sich als Neo-Western. Es ist also kein Wunder, dass er sich für den Roman „The Homesman“ von Glendon Swarthout interessierte. Und es ist auch nicht erstaunlich, dass die Verfilmung (die in Nebenrollen auch Meryl Streep, James Spader oder John Lithgow auffährt) nun visuell prächtig gelungen ist, woran der mexikanische Kameramann Rodrigo Prieto (Brokeback Mountain) mit seinen Aufnahmen karger Landschaften nicht ganz unschuldig ist

Verblüffender ist da schon, dass Jones dem nachvollziehbar bitteren Tonfall seiner Geschichte zu misstrauen scheint und immer wieder glaubt, sie mit unbedarften Humoreinsprengseln auflockern zu müssen. Was Hand in Hand damit geht, dass der Regisseur Jones nichts lieber zu machen scheint, als den Schauspieler Jones effektvoll in Szene zu setzen. Womit man dann auch schon beim eigentlichen Problem von The Homesman ist. Denn zwar gibt der Film vor, sich für das nicht selten tragische Schicksal von Frauen im Wilden Westen zu interessieren und hat mit Swank auch eine überzeugende Protagonistin zu bieten. Doch spätestens nach einer unerwarteten und fragwürdig motivierten Wendung im letzten Drittel wird klar: auch Jones hat letztlich wieder nur Augen für den männlichen (Anti-)Helden und dessen Wandlung. Von einem feministischen Western kann also leider kaum die Rede sein.

22.04.2024

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 9 Jahren

Nach There will be Blood, 3: 10 to Yuma oder True Grit kommt ein klasse Western von Tommy Lee Jones. Stark durchdacht. Erfolg kennt keine Sackgasse


8martin

vor 9 Jahren

Der Mann, der die Frauen wieder nach Hause begleitet; so die Titelfigur. Und die hat Raubein Tommy Lee Jones gleich selber übernommen. T. L. J. spielt das großartig. Zum Teil knallhart, aber auch sehr gefühlvoll. Die drei Frauen (Grace Gummer, Sonja Richter und Miranda Otto) sind ebenso ganz große Klasse. Sie verdeutlichen wie das erlittene Leid im Wahnsinn enden kann. Man kann das förmlich spüren. Das sind ausdrucksstarke Psycho-Rollen, zu denen Hilary Swank als Mary Bee Cuddy, eine sehr fromme Methodistin, hervorragend passt. Der von ihr erzwungene Beischlaf und ihr Ende sind zwei des sonst an Höhepunkten keineswegs armen Films. Diese vier Frauen tragen den Film und geben T. L. J. (alias George Briggs) Gelegenheit sein ganzes schauspielerisches Potential voll auszuspielen. Da wäre noch seine Racheaktion am Hotel ‘Lonsome‘ zu nennen. Hier kommt der Gerechtigkeitssinn voll auf seine Kosten. George Briggs verabschiedet sich von seiner anfänglichen Geldgier und übernimmt Verantwortung, er durchläuft eine Entwicklung vom Gauner zum Helden. Deshalb ist das Entscheidende an diesem Film, dass man sich von der Zuschauerperspektive, die wir kennen und die uns bisher so an den Western gefesselt hat, verabschieden müssen, denn eigentlich ist hier alles anders. Dazu gehört vor allem die Schilderung der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Briggs und Cuddy. Wäre noch die hervorragende Kameraarbeit von Rodrigo Prieto zu nennen, dem es gelingt, die Weite der Landschaft mit ihrer feindseligen Trostlosigkeit, zum sechsten Hauptdarsteller zu machen. Eine Weiterentwicklung des Westerns, ein wahrer Gewinn.Mehr anzeigen


Berufsromantiker

vor 9 Jahren

Sehr emotionaler Film mit ernstem Hintergrund. Tolle Schauspieler, grosses Kino, teilweise brutale Szenen. Nichts für reine Action-Fans. Mir ging's unter die Haut.


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