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Ponts de Sarajevo Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal, Schweiz 2014 – 114min.

Filmkritik

Bilder einer geschundenen Stadt

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine Stadt – viele Geschichten, Perspektiven und Impressionen. 13 Filmer und Filmrinnen - unter ihnen auch Jean-Luc Godard und Ursula Meier - haben aus ihrer Sicht Mosaiksteine zu einem facettenreichen Stadtbild gesammelt: Sarajevo – vom Attentat auf den österreichischen Erzherzog Ferdinand 1914 bis zur wiedergenesenen Stadt heute.

Sarajevo ist nicht Wien oder Berlin – und doch spiegelt die bosnische Stadt auch 100 Jahre europäischer Entwicklungen wider. Das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand 1914 hatte weittragende Folgen: Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers und seiner Frau in Sarajevo war der auslösende Faktor zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der Zusammenbruch Jugoslawiens und der Krieg auf dem Balkan 1992-1995 haben die bosnische Stadt Sarajevo betroffen, haben Zerstörung und Tod gebracht.

13 Kurzfilme schlagen den historischen und gesellschaftlichen Bogen von 1914 bis 2014. Es sind Beiträge ganz unterschiedlicher Art – von nachgestellten historischen Szenen, essayistischen Betrachtungen bis zu handfesten dokumentarischen Beispielen. Verzahnt werden die einzelnen Versatzstücke durch animierte Zeichnungen von Luis Da Matta Almeida und François Schuiten, sie bilden Schnittstellen, gleichzeitig auch Brücken, trennende, zerstörte und verbindende. Jeder Filmer, jede Filmerin war frei, sich auf seine Weise mit dem Komplex, dem Kapitel Sarajevo auseinanderzusetzen.

Der Bulgare Kamen Kalew zeigt den Kronprinz (Samuel Finzi, deutscher Schauspieler bulgarisch-jüdischer Abstammung) am Abend vor der Fahrt durch Sarajevo. Er ahnt, dass ihm eine Schicksalsstunde droht, und bekennt: "Ich bin machtlos!" Kalew nennt diese Episode "Ma douce nuit". Der Serbe Vladimir Perišić beschreibt in seinem Beitrag "Au gré de nos ombres" einen "Schatten" eben, den Attentäter, der Jugoslawien einigen will.

60 Jahre später ist Jugoslawien zerbrochen, sind die Brücken von Sarajevo zerstört. Folgerichtig nennt Jean-Luc Godard sie in seinem flüchtigen Filmessay "Die Brücken der Seufzer". Der Spanier Marc Recha wählt einen anderen Ansatz: Zan ist 21 Jahre alt, 1991 in Sarajevo geboren, in Katalonien aufgewachsen, und kehrt jetzt in seine Geburtsstadt zurück. Die Schweizerin Ursula Meier (Home), die zuvor Sarajevo nicht persönlich kannte, beschreibt den zehnjährigen Mujo beim Fussballspielen, der einen Elfmeter haushoch verschiesst. Der Ball landet auf dem Friedhof – mit Steinen des Anstosses, der Erinnerungen: "Silence Mujo".

Man kann nicht sagen, dass sich am Ende der filmischen Partikel, Betrachtungen und Sichten ein rundes Stadt- oder Geschichtsbild Sarajevos ergibt (künstlerische Leitung: Jean-Michel Frodon). Zu divergierend sind die Beiträge, zu unterschiedlich in Qualität und Befindlichkeiten. Das Mosaik ist brüchig, fragmentarisch, vermittelt gleichwohl interessante Denkanstösse und bleibt ein ungewöhnliches europäisches Produkt.

16.04.2024

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