Hello I Am David! Deutschland 2014 – 100min.

Filmkritik

Berührungen – am und neben dem Piano

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Er ist ein Phänomen, der australische Pianist David Helfgott, weltweit bekannt geworden 1996 durch den Spielfilm Shine. Cosima Lange hat die Pianisten-Legende auf der Europa-Tournee 2012 begleitet. Ein intensiver, hautnaher Einblick in seine Arbeit, seine Leidenschaft und das Leben mit Musik.

Er ist ein Mensch, der keine Berührungsängste kennt. Im Gegenteil, Berührungen sind ihm Bedürfnis. Das häufige «Hello – I am David» ist nicht Phrase, sondern Ausdruck seiner Persönlichkeit, seiner Offenheit und Ungezwungenheit, sich einzubringen und zu kommunizieren. Der Australier David Helfgott, Jahrgang 1947, war ein Piano-Wunderkind und Meisterschüler am Royal College of Music in London, als er 1970 einen Zusammenbruch erlitt und ihn die Krankheit (schizoaffektive Störung) elf Jahre zum geistigen Invaliden machte. Er verbrachte ein Jahrzehnt in psychiatrischen Kliniken. Das Ende der Talsohle erreichte er erst 1986, als er der Astrologin Gillian Murray begegnete, seiner grossen Liebe und späteren Ehefrau. Sie gab ihm Liebe, Ruhe und Sicherheit, und er kehrte auf die Konzertbühnen zurück. Der Spielfilm Shine von Scott Hicks machte ihn 1996 weltberühmt. Darsteller Geoffrey Rush wurde mit einem Oscar belohnt.

Die Hamburgerin Cosima Lange (40) studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sie war von David Helfgotts Piano-Performance in Zürich fasziniert und suchte seine Bekanntschaft. In der Toscana kam man sich näher, und die Regisseurin/Autorin beschloss, einen Dokumentarfilm über den ausserordentlichen Künstler zu drehen. «David ist ein Katalysator. Er lehrt uns, die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Er berührt und wühlt auf. Für mich liegt ein grosser Wert im 'Anderssein'», erzählt die Filmerin. Und tatsächlich gelingt es der Bewunderin, uns den brillanten, hochsensiblen Pianisten nahe zu bringen und verständlich zu machen: seine Eigenart, ständigen Bewegungen, sein Murmeln, Brabbeln, Mitsingen, während er am Klavier Rachmaninow, Bach oder Beethoven mit höchster Hingabe spielt. Auch die Erfahrungen, die Matthias Foremny, Dirigent der Stuttgarter Symphonikern, mit ihm auf der Tournee, bei Gastspielen in Kopenhagen, Wien, Stuttgart oder Leipzig machte, tragen viel zum Verständnis bei. Über Davids impulsive Begleitung und Begeisterung meint Foremny. «Aber das macht eben auch den speziellen improvisierenden Charakter dieser Aufführungen aus. Es ist ein tolles Klavierspiel dahinter. Das ist nicht geprägt von Perfektion. Es ist geprägt von urwüchsiger Musikalität, vom 'Drive', von Verträumtsein, von vielen Extremen.»

Langes mitreissendes Porträt ist geprägt von grosser Zuneigung zum Paar Helfgott. Ihr Film beschreibt nicht nur den Künstler und Menschen David, sondern ist auch eine Hommage an die Musik, an Leidenschaft und Liebe. Nur Helfgotts Spiel live zu erleben, kann schöner sein als dieser Film.

03.02.2016

5

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Kommentare

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Yvo Wueest

vor 8 Jahren

Wer in diesem Film die gewohnte Hollywood-Dramatik sucht, wird enttäuscht. Dafür findet er dank dem einfühlsamen Portrait der Regisseurin Cosima Lange Zugang zu einem einzigartigen Menschen: dem australischen Pianisten David Helfgott.

Der an einer schizoaffektiven Störung leidende Musiker, kennt die Psychiatrie aus eigener Erfahrung. Dank der Unterstützung seiner Ehefrau Gillian, die seit dreissig Jahren an der Seite dieses oft fahrigen und anstrengenden Mannes lebt, gelang ihm die Rückkehr auf die Konzertbühne.

Im Film sehen wir den bald 70jährigen Helfgott, wie er mit dem Stuttgarter Sinfonieorchester auf Tournee geht. Ständig spricht und kommuniziert er mit seiner Mitwelt, auch während des Konzerts. Frauen und Männer in seiner Greifnähe, werden von ihm berührt oder gar umarmt.

Seine mit Freude vorgetragene Fingerfertigkeit zu beobachten, ist reiner Genuss. Wer sich mit dieser Geschichte von David und Gillian auseinandersetzt, mag erkennen, mit welcher heilenden Kraft die Liebe einer Krankheit begegnen kann.Mehr anzeigen


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