CH.FILM

Chrieg Schweiz 2014 – 106min.

Filmkritik

Böse Buben

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Auf der Alp, da gibt es Sünde: Simon Jaquemets Chrieg ist einer dieser puren Filme, welche die hiesige Szene nur alle paar Jahre hervorbringt.

Was verbirgt sich hinter der Fassade von Matteo (Benjamin Lutzke)? Seinen Eltern ist der 15-jährige ein Buch mit sieben Siegeln. Matteo ist kein lärmiger Pubertierender: Er schweigt und schweigt und soll deshalb aus der Lethargie wachgerüttelt werden. Durch Arbeit, Schufterei. Wie ein Terrorverdächtiger wird Matteo deshalb eines dunklen Morgens aus dem Bett gezerrt, in einen Kastenwagen gesteckt, auf eine Alp verfrachtet. Dort nimmt sich der Öhi Hanspeter (Ernst Sigrist) seiner an. "Hier gibt es keinen Alkohol, keine Drogen, keinen Fernseher, kein Internet", stellt Hanspeter klar. Matteo schweigt.

Als der Kastenwagen weggefahren ist, ändert sich die Lage der Dinge radikal. Nicht Hanspeter, sondern die Jugendlichen Anton, Ali und Dion geben in diesem Time-Out-Camp den Ton an. Matteo unterziehen sie als erstes einem harten Aufnahmeritual, um ihn dann in die Gang zu integrieren. Tagsüber wird auf der Alp abgehängt, abends fahren die vier öfters mal mit dem Jeep in die Stadt runter, wo sie ihre verbrecherische Energie entfalten lassen. Sie klauen, zerstören, schlagen zu. Die gemeinsamen Erlebnisse verbünden; bald schon fühlt sich Matteo einer Ersatzfamilie zugehörig, und will die Alp nicht mehr verlassen.

Erziehungscamps können aus dem Ruder laufen, darüber gab es auch schon Meldungen. Diese hat Simon Jaquemet vernommen und vermengt mit seiner Vorstellung, einen Film über Gewalt zu machen. Über Jugendliche und Gewalt. In Chrieg tobt der Krieg in den Leibern aufgewühlter Teenagern – Konflikte, die sich in der Gruppe mit wuchtiger Kraft entladen und grossen Schaden anrichten. An Menschen, vor allem aber an der Bergidylle, auf deren Romantisierung Jaquemet die Hunde hetzt. Damit schlägt sein Debüt in die Kerbe von Filmen wie Höhenfeuer und Coeur animal.

Chrieg ist ein raues Werk: wackelig und oftmals hautnah gefilmt, der Sprachduktus der Jugendlichen schroff wie authentisch, ihre groben Taten spürbar mit erlittenem Schmerz unterfüttert. Ein Film, der verstörte, vielleicht gar zerstörte Seelen so unmittelbar an uns heranführt, dass man erneute Konfrontationen zu fürchten beginnt. Dies ist ein Verdienst eines starken Drehbuchs und des Schauspieler-Vierecks, von dem drei Akteure in ihrem ersten Film überhaupt spielen.

Wann nur hat man den letzten Schweizer Film gesehen, der sich so ungekünstelt und selbstgewiss vortrug? Vielleicht muss man anders ansetzen und sagen: Chrieg mutet in seiner Konsequenz und seinen Konturen nicht nach einem Schweizer Film an. Wünschenswert wäre, Jaquemets prägnantes Werk hätte eine Signalwirkung auf das hiesige Schaffen, das sich zu oft im Konsensdenken verheddert.

12.11.2020

4

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Kommentare

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Patrick

vor 8 Jahren

Chrieg kommt in einer sehr düsteren Filmmachart daher, und die Dialogen der Darsteller zeigt eine Jugend Sprache die heute leider realischtisch ist. Chrieg zeigt das Gesellschaftsbild der Jugend von heute im Doku Spielfilm Stil.


meinrad.zuend

vor 8 Jahren

Absurd - von der Prostituierten, die zu einem 15-jährigen nach Hause geht - bis zur Mutter, die ihrem in der Badewanne sitzenden 15-jährigen den Rücken massiert.


hyper80

vor 9 Jahren

Mehr als 1 Stern liegt auch von meiner Seite nicht drin. Die Grundidee des Films mag interessant sein. Die Umsetzung aber grauenhaft. Während 90min wird man als Zuschauer mit Gewalt bombardiert. Keine Geschichte dahinter, rein gar nichts. Ich hab es selten erlebt, dass Charaktere in einem Film so unglaublich schlecht dargestellt wurden. Das Geld für diesen Film kann man sich wirklich sparen. Grässlich. Den einen Stern gibt es für die tolle Bergwelt und die kleine Ziege. Die fand ich toll. Ein Wunder wurde das arme Ding nicht auch noch auf brutalste Art und Weise gequält wie die Zuschauer.Mehr anzeigen


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