A Most Wanted Man Deutschland, Grossbritannien, USA 2014 – 121min.

Filmkritik

Philipp Seymour Hoffmans letzte Rolle

David Siems
Filmkritik: David Siems

Ein junger Extremist strandet in Hamburg und hat eine geheimnisvolle Mission. Kann der deutsche Geheimdienstagent Güther Bachmann (Philipp Seymour Hoffman) ihn stoppen? Anton Corbijn verfilmt den Thriller "Marionetten" von Genre-Altmeister John le Carré.

Anton Corbijn, das ist eigentlich: Kontrastreiche Edel-Optik in Schwarzweiß, Haus und Hof-Fotograf von Bands wie U2 oder Metallica, aber auch anspruchsvoller und kluger Regisseur von Indie-Hits wie Control oder The American. In seiner neuesten Arbeit widmet sich der Holländer erstmals einem ästhetisch eher anspruchslosen Werk, was aber nicht bedeutet, dass A Most Wanted Man ein langweiliger Film ist. Ganz im Gegenteil.

Es ist eher das Setting, dass die stilistische Richtung vorgibt. Hamburg im Herbst, Schmuddelwetter, wie man im hohen Norden sagt. Die Straßen sind nass, die Tage kurz. Da ist nicht viel Platz für Ästhetik. Corbijn erzählt die Geschichte aus dem John-le-Carré-Roman "Marionetten": Der tschetschenische Gotteskrieger Issa (Grigoriy Dobrygin) reist illegal und ohne Hab und Gut nach Hamburg. Schwer gezeichnet von Folter, sucht er Kontakt zu einem mächtigen Banker (Willem Dafoe), der ihm das Vermögen des verstorbenen Vaters übermitteln soll. Dabei gerät er schnell ins Visier verschiedener Geheimdienste. Sucht der bärtige Mann vielleicht doch Kontakt zu einer Terrorzelle?

Man kann sich bei diesem Film, gedreht im Herbst 2012, nur schwer von dem Gedanken lösen, dass man den 2014 verstorbenen Phillip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle erlebt. Er spielt den deutschen Geheimdienstler Günther Bachmann, der mit Nina Hoss und Daniel Brühl zwei erstklassige Schauspieler an die Seite gestellt bekommt, die aber nur Mini-Rollen haben. Hoffman ist das Zentrum des Films: Statt cooler Agent à la Jason Bourne, ist er mehr der klassische und gebrochene Ermittler-Typ – melancholisch, alkoholsüchtig, rauh, übergewichtig. Mit einem Gesicht wie ein verregneter Novembermorgen in Hamburg.

Bemerkenswert: Regisseur Corbijn verzichtet für seinen Thriller nahezu vollständig auf Gewalt. Hier fällt kein Schuss, und fließt kein Blut. Die Kamera verweilt ruhig auf den Gesichtern der Darsteller. Nicht mal rasante Autoverfolgungsjagden gibt es. Dieser Minimalismus gibt dem Film einen angenehmen Rhythmus, drängt ihn aber auch gefährlich nahe in die Ecke deutscher TV-Krimis und anspruchsvollerer "Tatort"-Episoden. Hamburg als Drehort wirkt zu keinem Zeitpunkt als prätentiöses Stilmittel, sondern punktet einmal mehr mit kantig-dreckigem St. Pauli-Charme.

A Most Wanted tanzt somit gekonnt aus der Reihe atemlos durchinszenierter Agenten-Thriller, viel mehr ist Corbijns Version die Antithese zur aufgeblähten Testosteronschau der Bourne- oder Jack Ryan-Filme. Und ja, natürlich: Auch ein Werk, das die schauspielerischen Fähigkeiten von Philipp Seymour Hoffman noch einmal zusammenfasst und bündelt.

16.12.2014

4

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Wer John Le Caré kennt, weiß, dass er nicht so der Vertreter von fulminanter Action ist. Er setzt mehr auf Charakterzeichnung und intelligente Spionage. Von daher ist ihm Anton Corbijn vollauf gerecht geworden. John le Carrés Metier ist, dass der Geheimdienste, die z.T. gegen einander arbeiten z.T. miteinander. Man berät sich täuscht an und schlägt dann doch anders zu und alle Absprachen in den Wind. Und selbst im eigenen Land gibt es mehrere Organisationen, die für die Sicherheit zuständig sind und von einander unabhängig agieren. Da kennt sich John le Carré besser aus, als jeder andere. Schließlich war er ja mal bei so einem Verein. Thematisch ist er in letzter Zeit immer aktuell gewesen. Nach Nine Eleven nimmt er die Dschihardisten ins Visier.
Unter Mitwirkung von vielen deutschen Darstellern (Nina Hoss, Daniel Brühl, Herbert Grönemeyer (auch Musik) u.a.) leitet hier Günther Bachmann (Philip Seymour-Hoffman) die nachrichtendienstliche Abwehr. Er bewegt sich dabei zwischen dem CIA unter Martha Sullivan (Robin Wright), einem offiziell untadeligen ‘religiösen‘ Geschäftsmann Abdullah (Homayoun Ershadi), einem Bankier (Willem Dafoe) – denn es geht um viel Geld - einer Nachwuchsjuristin (Rachel McAdams) und dem Tschetschenen Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin). Am Ende wird es dann nochmal richtig spannend und es gibt eine faustdicke Überraschung. In drei Minuten wird die bislang fehlende Action nachgeholt, wenn alle Geheimdienste am gleichen Ort zur gleichen Zeit aktiv werden. Sie wollen Karpov und Abdullah und natürlich die Geldquelle. Der Film vermeidet eine plakative schwarz-weiß Kategorisierung. Ein dreifaches ‘Fuck!‘ von Bachmann sagt alles. Erfolg oder Misserfolg ist ja schließlich eine Frage der Perspektive.Mehr anzeigen


dulik

vor 5 Jahren

Ein Spionagethriller, der bewusst auf Action verzichtet, dadurch allerdings sehr authentisch wirkt. Wer hier Hochspannung erwartet wird enttäuscht sein. Vielmehr bietet "A Most Wanted Man" einen glaubwürdigen Einblick in die Welt der Spione und welcher Knochenjob sich hinter dieser Fassade tatsächlich verbirgt. Thematisiert wird dabei die Vorbeugung gegen Terror, aber auch der Konkurrenzkampf der verschiedenen Geheimdienste untereinander.
7.5/10Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


Barbarum

vor 7 Jahren

Ohne Hoffman in der Hauptrolle stürzte das Kartenhaus in sich zusammen. Assisitiert von den anderen grossartigen Darstellern schafft er es, eine nicht wirklich aufregende Geschichte, halbwegs fesselnd zu gestalten.


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