CH.FILM

Vaters Garten Schweiz 2013 – 93min.

Filmkritik

Schrebergarten, Bügelbrett und Einsamkeit

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

In Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern lässt Peter Liechti seine Eltern über ihr kleinbürgerliches Leben erzählen. Das tut er, ohne sie blosszustellen, aber dennoch mit Ironie.

Die Mutter hat eine Pflanze mit nach Hause gebracht, der Vater packt sie mühselig aus. Sie fällt zu Boden, der Vater beschuldigt seine Frau. Das Lachen über die Komik der Szene bleibt einem im Hals stecken. Das passiert immer wieder in Peter Liechtis Dokumentarfilm, in dem er seine Eltern porträtiert. Er zeigt sie bei Alltagshandlungen – man sieht den Vater akribisch die Gartenbepflanzung planen oder mit Kaugummi ein Loch in der Tür reparieren, an dem der nachlässige Sohn schuld sein soll. Die Mutter wiederum gibt beim Bügeln zu verstehen, dass sie froh wäre, der eitle Vater würde T-Shirts anstatt Hemden tragen - so hätte sie weniger Arbeit.

Daraus spricht vielleicht sogar eine gewisse Zärtlichkeit, und doch glaubt man oft einen vorwurfsvollen Unterton auszumachen. Da gibt es auch diesen Moment, als der Vater sich fürsorglich um seine Frau kümmert, nachdem sie in der Badewanne gestürzt ist. Dann kippt die Stimmung, und der Vater weigert sich hartnäckig, einen Haltegriff im Bad anzubringen. Dazu müsste er ein Loch bohren und es bei einem allfälligen Auszug wieder füllen.

Das ist ebenfalls typisch für den Alltag der beiden: die grossen Diskussionen um kleine Dinge. Liechti lässt seine Eltern jedoch vor allem über ihr Zusammenleben erzählen, über ihre Träume und die Liebe. Während der Vater vollkommen im patriarchalischen Denken verhaftet ist, rettet sich seine Frau in den Glauben. Mehr und mehr bekommt man den Eindruck, dass hier zwei Menschen seit Jahrzehnten zusammenleben, die zwar vertraut miteinander und dennoch sehr gegensätzlich und allein in ihrem Denken sind.

Es wäre ein Leichtes, die konservative, oft bizarr anmutenden Ansichten und Lebensweise ins Lächerliche zu ziehen. Doch davon schützt der St. Galler Regisseur seine Eltern. Er schafft eine Distanz, indem er mit Verfremdung arbeitet, wo sehr persönliche Dinge zur Sprache kommen. Zwei Hasenpuppen treten dann in geheimnisvoll ausgeleuchteter Szenerie auf, und Schauspieler sprechen die wahrheitsgetreu wiedergegebenen Dialoge. Liechti selber wird verkörpert durch eine Art Narr mit breitem Grinsen.

Das und die schiefe, scheppernde Musikuntermalung wirken wie ein feiner ironischer, kritischer Kommentar, ohne dass man das Gefühl hat, der Regisseur mache sich über seine Eltern lustig. Liechtis sensibler und persönlicher Film bewegt - auch, weil das Leben seiner Eltern stellvertretend für viele einer Generation steht; einer Generation, deren Werte und Denken nachfolgenden Generationen immer fremder werden. Man lacht, staunt, ist empört, entsetzt – dann wieder berühren die leisen Zwischentöne, die von Einsamkeit und ungestillten Sehnsüchten erzählen.

15.10.2013

4

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