Die Karte meiner Träume Kanada, Frankreich 2013 – 105min.

Filmkritik

Wunderkind auf Reisen

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

2009 veröffentlichte Reif Larsen seinen Debütroman "The Selected Works of T.S. Spivet", in dem sich ein hochbegabter Junge auf eine Reise durch die USA begibt. Ein Werk wie geschaffen für den französischen Kinomagier Jean-Pierre Jeunet, der die Vorlage als kunterbuntes, witziges, aber auch melancholisches Filmmärchen inszeniert.

Wenngleich er im Nirgendwo Montanas lebt, wird dem zehnjährigen T.S. Spivet (Kyle Catlett) nie langweilig. Skizzen, Berechnungen und Zahlen bestimmen den Alltag des kleinen Wissenschaftsgenies, das ganz nach seiner Mutter (Helena Bonham Carter), einer verschrobenen Insektenforscherin, kommt. Der Vater (Callum Keith Rennie), ein aus der Zeit gefallener Rancher, kann mit dem schlauen Kerlchen hingegen nur wenig anfangen. Ebenso wie seine Schwester Gracie (Niamh Wilson), die von einer großen Miss-America-Karriere träumt. Als T.S. eines Tages für ein selbst entwickeltes Perpetuum mobile den renommierten Baird-Preis gewinnt, macht er sich heimlich auf den Weg zum Smithsonian Institut in Washington, um seine Auszeichnung entgegenzunehmen. Die Kuratorin der Einrichtung (Judy Davis) ahnt freilich nicht, dass der Preisträger noch ein Kind ist.

Nach eigenem Bekunden verliebte sich Jeunet sofort in Larsens Debütroman und dessen cleveren Außenseiter. Ähnlich wie in Le fabuleux destin d’Amélie Poulain, dem wohl bekanntesten Werk des Regisseurs, erstrahlt die Verfilmung des Bestsellers in leuchtenden Farben. Begleitet vom Voice-Over-Kommentar des Protagonisten, tauchen wir ein in das Leben der Familie Spivet, das in der Gegenwart angesiedelt ist, jedoch unverkennbar nostalgischen Charme versprüht.

Das Figurenpersonal ist herrlich skurril, wobei der Wunderjunge ganz im Zentrum des Geschehens steht. T.S. und seine außergewöhnlichen Fähigkeiten sorgen nicht nur für allerhand komische Momente, sondern bestimmen auch die formale Gestaltung des Films. In Anlehnung an die Buchvorlage, die mit Landkarten, Skizzen und anderen Hinweisen versehen ist, lässt Jeunet seiner inszenatorischen Kreativität freien Lauf. Notizen und Illustrationen fliegen dem Zuschauer von der Leinwand entgegen und machen die Gedankenwelt des kleinen Helden sichtbar.

Hauptdarsteller Kyle Catlett, selbst hochbegabt, meistert seine Rolle mit Bravour, da er den Alleswisser erstaunlich vielschichtig anlegt. Seine Neugierde und Herzlichkeit sind ebenso glaubwürdig wie die handfesten Selbstzweifel, die sich im Verlauf der Reise herausschälen. Auch wenn die Mischung aus märchenhaftem Roadmovie, Außenseiter-Story, Komödie und Familiendrama zum Ende hin etwas abfällt, überwiegt der positive Eindruck.

25.06.2014

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 9 Jahren

Charmanter, stark an Jeunets "Amelie" erinnernder Beginn, danach aber zerläuft der Film und die Dramaturgie irgendwo im Nirgendwo.


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