CH.FILM

Tempo Girl Deutschland, Schweiz 2013 – 74min.

Filmkritik

Liebesknatsch im wilden Wallis

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Über die Befindlichkeit der eigenen Generation was Kluges zu schreiben ist kein Zuckerlecken. Das spürt das Hipster-Girl Dominique (Florentine Krafft): Für ihren Verleger ist das Geschreibsel nämlich zu wenig authentisch. Doch die Berlinerin gibt nicht auf. Sie haut mit ihrem Freund, dem Kebab-Verkäufer Deniz (José Barros) ins Wallis ab, um die rauen, archaischen Seiten des Seins kennenzulernen.

Der Provinzschauplatz ist klug gewählt: Regisseur Dominik Locher (Jahrgang 1982) hat in der Gegend von Leuk familiäre Wurzeln, kennt Land, Leute, Mentalitäten – all das hat ihn zu einem schmissigen Kinofilm-Erstling inspiriert. Vor allem die depperten, spiessigen Zeitgenossen hat er genau beobachtet und deren Verhaltensmuster auf die Filmcharaktere übertragen. Sie sind der Treibstoff für eine ziemlich schräge Tragikomödie über individuelle und allgemeine Befindlichkeiten der Generation im Clinch von High-Tech-Coolness und altmodischer Gefühlsturbulenz.

Die Story: Dominique und Deniz stranden an einer Tankstelle und machen sie zum Kuscheltreff. Das ist keine so gute Idee, denn plötzlich taucht der bewaffnete Hausherr Arnold (Daniel Mangisch) auf. Es sieht so aus, als wolle der Waffennarr das Pärchen über den Haufen schiessen, doch dann bietet er den ungebetenen Gästen einen Mietvertrag an. Ist das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Natürlich nicht. Brenzlig wird die Lage, als Dominique dann in einem Nachtklub als Stripperin anheuert, schwanger wird und mit der Situation nicht klarkommt. Dass sie dann ihren Freund schamlos anlügt, hat fatale Folgen und führt fast zu einer Tragödie: Der vermeintlich gleichgültige Deniz entwickelt nämlich tiefe Liebesempfindungen und riskiert alles, um seinen Schatz vor den tumben Dörflern zu schützen.

Inhaltlich ist der Plot simpel gestrickt, doch Locher schafft es, pechschwarzen Humor mit gewitzten (über-)lebensphilosophischen Szenen-Pointen zu kombinieren. Und weil er eine Ader für die Kunst der Reduktion hat, holt er aus den spärlichen finanziellen Produktionsmitteln Erstaunliches heraus. Kommt dazu, dass der Absolvent der Zürcher Hochschule der Künste (mit einem Zwischenaufenthalt am American Film Institute in Los Angeles) ein feines Gespür für Schauspielerführung hat. Auch das ist eine Eigenschaft, die auf kreative Intelligenz schliessen lässt.

Zu wünschen ist, dass Locher bald wieder einen Film dreht und an seinem eigenen Stil feilen kann. Dann wird er bestimmt dem überflüssigen Zitieren des US-Brachialfilmers Quentin Tarantino Adieu sagen. Denn dass der Walliser Filmer selber was drauf hat, hat er ja schon bewiesen: Tempo Girl ist rotzfreches, unterhaltsames Kino.

12.05.2014

3

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Kommentare

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david.peters

vor 6 Jahren

Abgedreht, lustig & innovativ. Und eine Liebeserklärung ans Wallis!


willhart

vor 9 Jahren

Keine Message, dafür kiloweise Clichés……..
Anfangs war ich beschwingt. Endlich wieder mal ein Feelgood Movie und erst noch Cross Culture. Dann die herbe Enttäuschung - die Türken immer noch die Türken in Deutschland - Schläger und Knaller, die Walliser die schlimmsten Xenophoben mit grauenhaften Puffs, wo natürlich die Ausländer billig arbeiten. Die Karrieregeile, die ihre Liebe opfert und alle gleich noch in die Pfanne haut - hauen will ufffffffffffffffMehr anzeigen


johnkebab

vor 9 Jahren

hat mir gefallen


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