Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit Italien, Grossbritannien 2013 – 92min.

Filmkritik

Die Würde stirbt zuerst

Filmkritik: Eduard Ulrich

"Jeder stirbt für sich allein" titelte Hans Fallada bereits 1947 hintersinnig. Der zweite Spielfilm von Uberto Pasolini nimmt dies dagegen wörtlich und stellt einen außergewöhnlich gewissenhaften Vertreter jener Zunft vor, die als kommunale Angestellte für ein würdiges Begräbnis scheinbar oder tatsächlich Angehörigenloser sorgen. Wie in Departures geht es letztlich um die Würde, die nach dem Tode gewissermaßen restauriert werden kann, und was dies für die spärlichen Hinterbliebenen bedeuten mag.

John May (Eddie Marsan) hat ein kleines Büro, aber ein großes Herz: Wenn jemand in seiner Gemeinde gestorben ist, der offenbar schon längst durch die Maschen des Beziehungsnetzes gefallen war, unternimmt er alles, um Personen zu finden, denen dieser Todesfall etwas bedeutet. Das erfordert akribische, kriminalistisches Niveau erreichende Recherchen und detektivischen Einsatz und bringt ihn nicht selten mit Menschen unterschiedlicher Schichten und Generationen in Kontakt. Obwohl er zurückgezogen lebt, meistert er diese Aufgabe mit Geduld und Gelassenheit auch dann bravourös, wenn diese Begegnungen nicht nur die Vergangenheit sondern auch die Emotionen aufwühlen.

Dass soviel Einsatz für ein Leben nach dem Tode im England der Neoliberalen ein anachronistischer Luxus ist, dessen Tage gezählt sind, liegt auf der Hand. Doch das Damoklesschwert des Stellenabbaus lässt May zur Höchstform auflaufen. Ihm dabei zuzusehen, ist trotz des ernsten Untergrunds amüsant und unterhaltsam. Das ist nicht zuletzt Marsans Verdienst, der bisher als Nebendarsteller in erfolgreichen Filmen wirkte und hier - ganz im Dienste der Botschaft - seine Hauptrolle gleichsam in eine Nebenrolle verwandelt, indem er zurückhaltend mimt und von seiner äußerlichen Unauffälligkeit profitiert.

Man könnte eine Parallele zur Filmbranche ziehen: Der Film dreht sich um die Würde, die jemandem verloren ging, und um die Würde, die jemandem wieder verliehen werden kann, wenn die Puzzle-Stücke eines zerbrochenen Lebens wieder zusammengesetzt werden. Marsan würdigt mit seinem Spiel die oft übergangenen NebendarstellerInnen und gewinnt damit einen an Ken Loach erinnernden Realismus. Uberto Pasolini schlägt leisere Töne an als Loach, was man nicht unbedingt erwarten durfte, produzierte er doch den etwas schrillen Full Monty, aber er findet sogar als Drehbuchautor einen logischen Schluss für diese runde Geschichte.

12.04.2017

4

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Kommentare

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caravaggio

vor 9 Jahren

wunderschöner film! traurig. bewegend. "rund". wirklich bezaubernd!


Yanabe

vor 9 Jahren

Schöner, bewegender Film. Regt zum Nachdenken an.


silvy7

vor 9 Jahren

Wirklich eindrucksvoller Film der etwas anderen Art, hervorragend gespielt.


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