Sacro GRA Frankreich, Italien 2013 – 93min.

Filmkritik

Skurriler Reigen

Filmkritik: Eduard Ulrich

Rom ist voller legendärer Bauwerke, wer würde da die Ringautobahn, Grande Raccordo Anulare, wählen? Gianfranco Rosi! Und es gelingt ihm, wie der erste Goldene Löwe für einen Dokumentarfilm an den Filmfestspielen in Venedig 2013 beweist. Ein Roadmovie ist es allerdings nicht, sein Thema sind vielmehr einige handverlesene Personen, deren Leben oder Arbeit direkt mit der Straße in Beziehung steht. Die handwerklich geschickt und filmisch abwechslungsreich Porträtierten sind allerdings fast alle derart außergewöhnlich, dass der Rote Faden reißt.

Eine Straße oder Personen, die mit ihr auf die eine oder andere Weise verbunden sind, zum Thema eines Films zu machen, ist keine neue Idee, man denke an Filme über die Panamericana oder die Route 66, aber einer Stadtautobahn hat wohl Gianfranco Rosi als erster einen Film gewidmet. Seiner dichten Studie gingen offenbar eine umfangreiche Recherche und eine scharfe Analyse voraus, denn das gute halbe Dutzend Personen, die er mit unterschiedlichen filmischen Formen ausleuchtet, ist handverlesen und denkbar antirepräsentativ. Dabei ist ihr Bezug zur sakrosankten Ringautobahn nicht immer unmittelbar klar und oft nur lose - und untereinander stehen diese Personen nicht in Beziehung.

Vielleicht ist diese Straße nur der Vorwand, um einen skurrilen, unbekannten Teil der Römer Gesellschaft zu porträtieren. Die ausgefeilte Kameraarbeit und die durchdachte Inszenierung sind auf der Höhe des Themas, kein Kommentar nervt, die Tonspur überrascht und spielt mit den Geräuschen. Man sieht beispielsweise einen Zug von fern und vernimmt vermeintlich sein Rauschen, das aber immer weiter anschwillt, rasch die Maximallautstärke eines Zuges überschreitet und sich plötzlich als ohrenbetäubender Schall eines großen Düsenpassagierflugzeugs entpuppt.

Schon der Einstieg ist fulminant: Wir begleiten den Rettungssanitäter Roberto bei einem Notfalleinsatz wegen eines Verkehrsunfalls. Die Kamera zeigt fast alles in Nahaufnahme, die Bildqualität ist - ausnahmsweise - gering, die Szenerie hektisch, das Opfer urkomisch. Später wird noch eine vollkommen andere Seite von Roberto zu sehen sein. Dieses Spiel der Kontraste zieht sich durch den gesamten Film, der turbulenten Oberfläche wird eine bedächtige Kehrseite gegenübergestellt, sei es in der Wahl der Schauplätze oder im Leben der Protagonisten. An den Filmfestspielen von Venedig 2013 konnte Gianfranco Rosi als erster den Goldenen Löwen für einen Dokumentarfilm gewinnen.

15.08.2014

3

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