Paradies: Hoffnung Österreich, Frankreich, Deutschland 2013 – 100min.

Filmkritik

Erste Liebe im Diät-Camp

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Im letzten Teil seiner Trilogie über unerfüllte Sehnsüchte und Hoffnungen von drei Frauen erzählt Ulrich Seidl von der 13-jährigen Melanie (Melanie Lenz), die sich in einem Diätcamp in einen über 40 Jahre älteren Arzt (Joseph Lorenz) verliebt.

Während die Mutter der dreizehnjährigen Melanie in Paradies: Liebe hofft, dass sich ihre Sehnsucht nach Liebe beim Sexurlaub in Kenia erfüllt, verbringt Melanie selbst ihre Ferien in einem Diätcamp. Ihre Tante (Maria Hofstätter), die in Paradies: Glaube Erfüllung in der Liebe zu Gott sucht, bringt sie in die in einem Waldgebiet gelegene Anstalt. Von Anfang an bläut der Sportlehrer (Michael Thomas) den Teenagern ein, dass Disziplin ihren Aufenthalt bestimmen wird.

Der unverwechselbare strenge Stil Ulrich Seidls, der in langen statischen, sorgfältig kadrierten Tableaux vivants (Kamera: Wolfgang Thaler und Ed Lachman) quasi-dokumentarisch den Alltag einfängt, korrespondiert mit der an ein Gefängnis erinnernden rigiden Ordnung im Camp. Ganz halten sich die Mädchen freilich nicht daran, vergnügen sich in ihren Zimmern mit Alkohol, lauter Musik, Flaschen Drehen und tauschen sich über das erste Mal aus. Bald verliebt sich die noch unerfahrene Melanie in den Arzt des Camps, nützt jede Gelegenheit zum Besuch seines Sprechzimmers und versucht ihn zu verführen. Der Arzt verhält sich zurückhaltend, weist das Werben aber nicht entschieden zurück, sodass Melanies Sehnsucht wächst.

Dieser abschliessende Teil der Trilogie wirkt wie ein Gegenstück zu Paradies: Liebe. Der alternden Mutter, die in Afrika das Glück sucht, steht die unglückliche erste Liebe des Teenagers gegenüber, den jungen afrikanischen Beachboys der ältere Arzt, dem kenianischen Ferienresort mit seinem Freizeitangebot der streng geregelte Tagesablauf im Camp. Doch die "Methode: Seidl", die darauf abzielt, durch insistierenden Blick Realität zu überzeichnen und menschliche Gemeinheiten schonungslos aufzudecken, will hier nicht wirklich funktionieren. Statt Grenzen zu überschreiten und an die Schmerzgrenze des Zuschauers zu gehen, bleibt Seidl hier zurückhaltend und fast harmlos.

Ganz bei sich ist der Österreicher nur in einer Disco-Szene, wenn er grimmig auf zwei Jungs blickt, die in Melanie ein Jagdobjekt sehen, das der eine zu verführen und der andere dabei mit dem Handy zu filmen versucht. Hier wird auch deutlich, worin eine Schwäche von Paradies: Hoffnung liegt. Während Seidl bislang immer auf Täter oder Menschen, die zumindest gleichzeitig Täter und Opfer sind, blickte, sind die Besucher des Camps reine Opfer und auch der Blick auf das Personal der Anstalt und den Arzt ist erstaunlich milde. So fehlen einerseits Schärfe und Biss der früheren Filme Seidls, andererseits bewegt sich die schon oft erzählte Geschichte des Coming-of-Age und der ersten Liebe eines Teenagers weitgehend in ausgetretenen Bahnen.

17.05.2013

3

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Kommentare

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ElizeH

vor 10 Jahren

j'aime beaucoup la manière de film, certains plans et défilement, mais en gros le film est assez lent.


gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

schönes Drama. Tolle, junge Schauspieler.


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