CH.FILM

L'Expérience Blocher Frankreich, Schweiz 2013 – 100min.

Filmkritik

Neulich in der Limousine

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

100 lohnende Minuten mit dem seit über zwei Jahrzehnten medial meist präsenten Politiker der Schweiz: L'Experience Blocher ist zwar eine Enttäuschung für alle, die sich Neues über Blochers politische Vergangenheit und Gegenwart erhofften, dafür aber eine so formal brillante wie inhaltlich facettenreiche Annäherung an eine Figur, die ihren Zenit überschritten hat.

Zwei grosse Kinodokumentarfilme über das Innenleben von Politik und Ökonomie haben Jean-Stéphane Bron bekannt gemacht: Mais im Bundeshuus (2003) und Cleveland versus Wallstreet (2010). Ging es in ersterem um Mechanismen politischer Entscheidungsfindungen im Schweizer Parlament, entwickelte letzterer anhand realer Gegebenheiten einen fiktiven Prozess von Opfern der Subprime-Krise 2008 in den USA gegen die Verantwortlichen jenes gigantischen Finanzdesasters, dessen Folgen uns bis heute beschäftigen. Standen in jenen beiden Filmen Mechanismen, das Zusammenspiel vieler Figuren im Zentrum, so konzentriert sich Bron in seinem neuen Film gänzlich auf eine einzige Figur – mit grosser Eindringlichkeit.

Es gibt in der Schweiz wohl kaum jemand, dem man erklären muss, wer Christoph Blocher ist. So gesehen ist L'Expérience Blocher ein überflüssiger Film. Doch Bron ging es nicht um eine filmische Enthüllungsstory. Sondern darum, die Herausorderung anzunehmen, einen Mann zu porträtieren, von dem er weder die Überzugungen noch die Methoden teilt – ohne dabei einen militanten Film für oder gegen Blocher - und schon gar nicht eine journalistisch objektive Dokumentation zu realisieren.

Statt dessen setzte sich Bron von Sommer bis Herbst 2011 in die Wahlkampflimousine des Milliardärs, nachdem er ihn zuvor überzeugt hatte, er wolle gerne filmisch ergründen, was für ein Mensch hinter der öffentlichen Blocher stehe und was ihn antreibe. So jedenfalls erklärte Blocher aus seiner Sicht und auf seinem TV-Kanal "TeleBlocher" das Filmprojekt und machte Bron dabei auch gleich zu einer "unpolitischen Person". Man weiss nicht, ob Blocher das selber glaubte oder ob es zu seiner Strategie gehört, dass der Umgang mit der Wahrheit von der Situation abhänge – wie er an einer Stelle in L'Expérience Blocher erklärt.

Es ist eine der wenigen Stellen im Film, an denen Bron direkt das Wort an Blocher richtet – in einem genialen Kunstgriff zeigt Bron nämlich jenen Mann des Wortes, dessen Demagogie mehr als zwei Jahrzehnte Schweizer Politik geprägt haben, meist schweigend, müde, nachdenklich und gibt dabei in indirekter Rede im Off-Sätze wieder, die er von Blocher in all den Monaten des Drehs gehört hat. Dazu rollt er in Archivaufnahmen in oft rasendem Tempo den Aufstieg Blochers vom kleinen Pfarrerssohn aus Laufen zum Unternehmer, Milliardär und führenden Kopf von einer von Europas stärkster und schlagkräftigster rechtspopulistischer Partei auf.

Bron lässt dabei nichts aus, zeigt auch unappetitlichste Seiten wie Appartheidgeschäfte und die Kumpanei mit Finanzhai Martin Ebner, die im Wesentlichen Blochers ökonomische Macht begründeten. Dass gerade diese Teile im Film eine marginale Rolle spielen, mag man ihm anlasten. Der Tatsache, dass L'Expérience Blocher ein formal brillant gestaltetes Werk, das die These überzeugend veranschaulicht, dass Blocher und seine SVP auf dem absteigenden Ast und einsam sind – wie der Protagonist in Orson Welles Klassiker Citizen Kane am Ende – tun sie indes keinen Abbruch.

18.02.2014

4

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Kommentare

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vaxim

vor 10 Jahren

Tja, hängt sehr davon ab, wie man zu Blocher steht, aber ich denke, man gewinnt einen Eindruck des Menschen Blocher hinter der Politfassade. Hat mir eigentlich gut gefallen.


DieSchlinge

vor 10 Jahren

Grosses Portrait von einem grossen Politiker.


Strudelwurm

vor 10 Jahren

Blocher ist Blocher, die Doku zeigt das Herr Blocher eben auch nur aus Fleisch und Blut besteht. Ein Mann der Endscheidungen treffen muss wie jeder andere Mensch auch, nur das er eben halt Christoph Blocher ist. Interessant das solche Persönlichkeiten sich so filmen lassen, deswegen beurteile ich die Doku mit 4 Sternen.Mehr anzeigen


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