Grand Central Österreich, Frankreich 2013 – 94min.

Filmkritik

Atomare und emotionale Spaltung

Filmkritik: Eduard Ulrich

Eine Dreiecksgeschichte im Milieu des Nuklearproletariats ist wahrscheinlich ein Novum. Gut recherchiert und ebenso inszeniert liegt Rebecca Zlotowskis zweite Regie- und Drehbucharbeit zwischen Silkwood und It's a Free World, allerdings ohne die antiatomindustrielle Panikmache und ohne den sozialkritischen Zeigefinger. Während vor allem die Hauptdarsteller Léa Seydoux und Tahar Rahim eine gute Figur machen und die Kameraführung überzeugt, muss sich das Drehbuch ein paar kritische Fragen gefallen lassen.

Westeuropa ist voller Atomkraftwerke, aber es gibt wenig Filme, in denen Mitarbeiter eines Atomkraftwerks eine Hauptrolle oder in denen wichtige Szenen in einem Atomkraftwerk spielen. Rebecca Zlotowski ließ sich für ihrem zweiten Spielfilm vom Roman "La Centrale" inspirieren, welcher das Treiben der Subunternehmer in der Nuklearwirtschaft thematisiert, und vom Atomtechnikexperten Claude Dubout beraten, welcher mit "Je suis décontamineur dans le nucléaire" einen autobiografischen Einblick in die Risiken des Atomkraftwerkbetriebs gewährt.

Ihre Dreiecksgeschichte bleibt angesichts permanenter Strahlenbelastung und latenter Pannengefahr angenehm sachlich, nutzt das unbetriebene Atomkraftwerk Zwentendorf als imposante Kulisse und lässt den Dampf ihrer Akteure über deren Gefühle ab. Das Leben am Rande der Gesellschaft auf einem Camping-Platz in der Nähe der Anlage, die im Ringen mit den Defekten der Technik körperlich oder mental Versehrten und die unbedarften Anfänger, für die nur Geld und Vergnügen zählen, ergeben eine explosive Mischung: Auf nichts und niemanden kann man sich verlassen, obwohl doch das Vertrauen auf die Partner bei der gefährlichen Zusammenarbeit Voraussetzung wäre.

Ihre prominente Besetzung mit Léa Seydoux und Tahar Rahim und dem erfahrenen, aber ausnahmsweise nicht authentisch wirkenden Olivier Gourmet gibt ihre Vertreter der Atomarbeiterklasse mit Verve. Die Kamera überzeugt mit Abwechslung - mal klebt sie so nah an den Gesichtern, dass man nicht erkennen kann, welch famosen Sportwagen sich einer der jungen Männer gekauft hat, mal hält sie Distanz, wenn etwas schiefgeht und ein Opfer um sein Leben ringt.

Das Drehbuch scheint nicht ganz geglückt: Es ist ein wenig überfrachtet, weil auch noch Homosexualität gestreift werden musste, und es ist ein wenig plakativ, wenn beispielsweise vor den Gefahren der Liebe in einem Lied gewarnt wird, welches in geselliger Runde vorgetragen wird. Zudem ragen am unausgegorenen Ende ein paar lose Fäden aus dem Handlungsgewebe.

12.05.2014

3

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Kommentare

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willhart

vor 9 Jahren

Der Tagi lobt ihn in höchsten Tönen. Aber ich wurde trotz Spitzenschauspieler nicht wirklich warm mit dem Film. Grandiose Einsicht in die Nukleartechnologie und wie mit dem 'Hilfspersonal' umgegangen wird - und für welchen Hungerlohn - aber die Liebesgeschichte? Hat mich nicht berührt. Die Sozialstudie schon eherMehr anzeigen


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