When I Saw You Jordanien 2012 – 93min.

Filmkritik

Ausbruch und Aufbruch

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Flüchtlingslager nach dem Sechstagekrieg. Der elfjährige Tarek und seine Mutter haben in einem jordanischen Camp Zuflucht gefunden. Der Knabe sehnt sich nach seiner Heimat Palästina und bricht aus. Regisseurin Annemarie Jacir blendet in die Anfangszeit des PLO-Widerstands zurück.

Er ist klug, aufgeweckt, aber er passt nicht in die Schulklasse. Er stellt pfiffige Fragen und fordert den Lehrer heraus. Der elfjährige Tarek (Mahmoud Asfa) eckt an. Er kann zwar nicht lesen, hat aber ausserordentliche mathematische Fähigkeiten und mehr gesunden Menschenverstand als manche so genannte Gebildete.

Heimatlos in Jordanien. Man blickt hinüber ins Jordanland. Der Knabe möchte zurück, möchte die Zeit zurückdrehen, möchte zu seinem Vater, der wohl - aus welchen Grund auch immer - zurückblieb. Tarek ist nicht zu halten und so nimmt er eines Nachts Reissaus Richtung Heimat und landet in einem anderem Camp, einem Lager der sich formierenden Fedajin. Er findet Anschluss, gewinnt die Sympathie des Anführers, wird wahr- und ernstgenommen.

Seine Mutter Ghaydaa (Ruba Blal) sucht ihn, findet ihn, bleibt bei ihm. Gemeinsam versuchen sie, ihre Hoffnungen umzusetzen, sie wollen nach Hause. Sie alle, die Flüchtlinge und Widerstandskämpfer, hoffen auf Veränderung und auf Rückkehr. Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Wir wissen es, die Menschen im Niemandsland 1967 zwischen Israel und Palästina glauben noch daran.

Das Drama When I Saw You der Palästinenserin Annemarie Jacir blendet in eine Zeit des Zusammenbruchs, des Aufbruchs und Ausbruchs zurück. Die Situation, die Stimmung der Flüchtlinge, ihre Hoffnungen im Lager werden sehr realistisch eingefangen, wobei die Landschaft die Eindrücke verstärkt. Die Darstellung des Fedajin-Camps, ihre Kampfvorbereitungen und Zusammengehörigkeit wirken freilich geschönt, nahezu romantisch. Das erinnert eher an Pfadilager, auch wenn sich irgendwo draussen die graue grausame Wirklichkeit auftut.

Hier und dort, so erzählt uns der Film, hätten sich die Widerstandskämpfer gefunden und organisiert, hätte sich die PLO formiert. Diesbezüglich muss man dem Spielfilm einen gewissen Hang zur Weichzeichnung ankreiden. Gleichwohl hat man Verständnis dafür, dass hier nicht in Schwarzweiss-Muster verfallen wird, dass hier nicht kriegerische Geschichte in den Vordergrund gerückt und ausgebeutet wird, sondern die betroffenen, entwurzelten, leidenden Menschen im Mittelpunkt stehen. Das spricht wiederum für die Güte und tiefe Ambition des Films. Es handelt sich um eine über Israel und das besetzte Palästina hinausgehende Geschichte, um Sinnbilder für Vertreibung und Grenzen. Das Schlussbild (Kamera: Helene Louvart) brennt sich ein. Grenzen, so suggeriert die Geschichte, sind dazu da, um überschritten zu werden.

03.07.2013

3

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Kommentare

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88fabian88

vor 10 Jahren

sehr sehenswert


talentix

vor 10 Jahren

Genauso hätte man einen Film über eine israelische Fmilie drehen können, deren Kinder von solchen "Freiheitskämpfern" bei einem nächtlichen Überfall im Haus mit dem Messer buchstäblich geschlachtet worden sind. Diese Art Filme, welche nur das Leid einer Seite darstellt, hat die Tendenz die Gewalt einer Seite zu verharmlosen und zu rechtfertigen.Mehr anzeigen


reinhard49

vor 10 Jahren

Ja, dieser Film ist sehenswert.


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