Les Misérables Grossbritannien 2012 – 159min.

Filmkritik

Glanzvolles Elend

David Siems
Filmkritik: David Siems

Achtung, Gesang! Tom Hoopers Verfilmung des französischen Erfolgsmusicals scheint nur etwas für echte Freunde des pathoshaften Trällerns. Aber dank bestens geölter Stimmen wissen die beiden Hauptdarsteller Hugh Jackman und Anne Hathaway auch Musikmuffel zu begeistern. Ein Spektakel vor wahrhaft fürchterlicher Kulisse.

Sie sehen buchstäblich elend aus: Hugh Jackman erinnert an einen knorrigen Ast, den ein müder Hund irgendwo liegenlassen hat. In Interviews hat er mehrfach beschrieben, wie er für die Rolle als Ex-Gefangener Jean Valjean 36 Stunden vor Drehbeginn kein Wasser mehr getrunken hat, um ausgezehrt auszusehen. Auch Anne Hathaway bringt ihre Rollenvorbereitung treffend auf den Punkt: Sie wollte "wie eine abgemagerte, an Tuberkulose erkrankte, bettelarme Prostituierte aussehen". Hollywoods Schönlinge sehen einfach furchtbar aus - die beste Voraussetzung für dieses epische Filmprojekt.

Denn: Die Romanvorlage von Victor Hugo über einen französischen Häftling, der nach 19 Jahren wieder in Freiheit leben darf, ist zwar ein beliebter Klassiker, doch die Musical-Version ein Monstrum von kommerziellem Erfolg und damit verbundener Sehgewohnheiten, die es fürs Kino neu zu erfinden galt. Regisseur Tom Hooper (The King's Speech) mögen die nackten Zahlen eher angespornt denn eingeschüchtert haben. Seit der Musical-Uraufführung 1980 in Paris wurde Les Misérables in über 40 Länder exportiert, in 240 Städten gespielt und auch mehrmals verfilmt. Der feine Unterschied: Tom Hoopers Version bemüht keine Neuerfindung, sondern konserviert einfach die Essenz des Musicals, fügt allerschönste Schauwerte hinzu - und vor allem: allerschönste Stimmen.

Bei ihrem gemeinsamen Auftritt bei der Oscar-Verleihung 2009 konnte man bereits erleben, dass Anne Hathaway und Hugh Jackman das Musical-Genre beherrschen, doch nun folgt die wahre Kür. Es wird so geschmachtet, geträllert und tiriliert, dass sich Pathos und Emotionen haushoch aufbauen und wieder zusammenfallen, sobald der sonst musicalkritische Sitznachbar im Kinosessel ächzt. Während der drei Stunden Spieldauer werden maximal drei Sätze Dialog gesprochen, der Rest wird voller Inbrunst und aus vollem Herzen gesungen.

So werden die Zuschauer zwangsläufig in den Strudel der Opulenz reingesogen, die sich hier nicht nur durch die Stimmen manifestiert: Hoopers Idee des Paris der 1830er Jahre ist fürwahr ein elender Ort mit stinkenden Gassen, dreckiger Luft und stets kränklich dreinblickenden Bewohnern. Wirkte die letzte Kino-Version von Bille August noch weitgehend steif und blutleer, wird der revolutionäre und aufklärerische Geist des Romans hier mit den Mitteln des emotionsgeladenen und (streckenweise natürlich auch furchtbar kitschigen) Tricks des schmonzettenhaften Bühnengesangs tranchiert.

Ein echter Leckerbissen für alle Musical-Fans und solche, die es vielleicht noch werden wollen. Nach den Musical-Verfilmungen der letzten Jahre (Sweeney Todd oder Nine) katapultiert Les Misérables das Genre zweifelsohne in andere Sphären. Für manche ist es vielleicht der "elendste" Film des Jahres, doch diese Bezeichnung ist für dieses Werk zweifelsohne ein echtes Prädikat.

18.02.2024

4

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Kommentare

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riexx75

vor 9 Jahren

wauw! must see


Deg89

vor 10 Jahren

Kraftvoller Mix aus Schauspiel und Musik. Die Kulissen werden zudem groß und passend in Szene gesetzt. Etwas mehr Dialog hätte gut zur Abwechslung beigetragen.


trandafir

vor 10 Jahren

der beste Film seit Jahren


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